Vergleich von Wirtschaftsordnungen
Marktwirtschaft contra Planwirtschaft
Als die beiden deutschen Staaten 1990 wiedervereinigt wurden, zeigten sich neben vielen anderen Problemen auch gravierende Unterschiede in wirtschaftlicher Hinsicht: Die DDR hatte seit 1949 ihre Wirtschaftsordnung durch eine zentrale Planwirtschaft geregelt, in der staatliche Instanzen alle wirtschaftlichen Lenkungsfunktionen übernahmen; in der Bundesrepublik hatte man dagegen eine modifizierte Form der Marktwirtschaft entwickelt, die soziale Marktwirtschaft. Hier arbeitete die Wirtschaftspolitik nach dem Grundsatz: So viel Freiheiten für die Marktteilnehmer wie möglich und so wenig staatliche Eingriffe und Regelungen wie nötig, um krasse Ungerechtigkeiten und soziale Probleme zu vermeiden.
Die Ergebnisse, die beide Wirtschaftsordnungen in über 40 Jahren erzielt hatten, waren sehr unterschiedlich. So betrug 1989/90 die durchschnittliche Wirtschaftsleistung pro Einwohner in den neuen Ländern nur etwa ein Drittel der westdeutschen Leistung. Die Ausstattung der Haushalte mit Gebrauchsgütern war sehr unterschiedlich: Autos, Telefone, Kühlschränke, Fernseher usw. waren im Westen selbstverständliche Ausstattung, im Osten noch nicht. Auch der durchschnittliche Wohnungskomfort war in den alten Bundesländern deutlich höher als in den neuen. Die Infrastruktur, insbesondere die Straßen, die Wasserversorgung und die Abwasserentsorgung, aber auch die Telekommunikationsverbindungen wiesen deutliche Mängel auf.
Unter der Überschrift „Erblasten“ fassen Steffen Maretzke und Eleonore Irmen die Ergebnisse der Wirtschafts- und Sozialpolitik der DDR-Regierung so zusammen:
„Es bauten sich in den ostdeutschen Regionen flächendeckend massive regionale Strukturschwächen auf […]:
– erhebliche Modernisierungsdefizite der Wirtschaftsstruktur […];
– weit verbreitete regionale Monostrukturen und ein niedriges Niveau der Arbeitsteilung;
– einseitige Ausrichtung der Wirtschaftsstruktur auf die Erfordernisse des RGW-Marktes*;
– überdimensionale betriebliche Konzentration;
– vielfältige Ausstattungslücken der Infrastruktur, die zudem stark zerschlissen war;
– ein Mangel an leistungsfähigen städtischen Zentren.
Dies waren von gesamtwirtschaftlicher Sicht her denkbar ungünstige Ausgangsbedingungen für einen Start der ostdeutschen Regionen in die Marktwirtschaft.“
* RGW = Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (Zusammenschluss der Zentralverwaltungswirtschaften des Ostblocks)
Die Zeit – Aus Politik und Zeitgeschichte B 5/99 vom 29.01.1999
Insgesamt wurde die Lage in Ostdeutschland häufig mit der Bundesrepublik in den 50er Jahren verglichen. Da sich diese deutlichen Unterschiede in einer Gesellschaft mit gleicher Geschichte und kulturellen Werten bis 1945 herausgebildet haben, erscheint der Vergleich der unterschiedlichen Wirtschaftsordnungen der DDR und der BRD interessant, weil man hier Gründe für die sehr stark auseinander gehenden wirtschaftlichen Ergebnisse der beiden Gesellschaften finden kann.