3.3.1 Ionenbildung und Ionengitter

Die Entstehung von Ionen

Lässt man Chlorgas über erwärmtes Natrium strömen, kommt es zu einer heftigen Reaktion zwischen diesen Elementen. Es wird Energie in Form von Wärme und gelbem Licht abgegeben. Das Reaktionsprodukt ist ein weißer Feststoff, Natriumchlorid oder Kochsalz.

Treffen das Alkalimetall Natrium und das Halogen Chlor aufeinander, so kommt es zu einem Elektronenübergang von Natrium zu Chlor.

Betrachtet man sich die Elektronegativitäten der beteiligten Elemente, 0,9 für Na und 3,0 für Cl, so liegt die beachtliche Elektronegativitätsdifferenz von 2,1 vor. Nähme man eine Atombindung zwischen den beiden Atomen Na und Cl an, so wäre diese Bindung extrem polar. Derart polare Atombindungen existieren jedoch nicht. Das Bestreben des Chlors, Bindungselektronen an sich zu ziehen, ist gegenüber dem elektropositiven Natrium so groß, dass das „Bindungselektronenpaar“ vom Chlor vollständig übernommen wird. Natrium hat also ein Elektron abgegeben, Chlor hat dieses Elektron aufgenommen. Es ist ein Ionenpaar entstanden (Natrium-Kation und Chlorid-Anion).

© Belinda Flemming: Die Bildung von Ionen aus Elementatomen (Schalenmodell, Valenzelektronenschreibweise, Ionenbildungs-gleichungen, Gesamtgleichung und Wortgleichung), CC BY-SA

Die Bereitschaft des Natriums sein Valenzelektron abzugeben äußert sich nicht nur in der geringen Elektronegativität sondern auch in der niedrigen Ionisierungsenergie von 5,1 eV für das erste Elektron.

Will man auch bei anderen Chloriden der Elemente der 3. Periode eine Aussage über die Art der Bindung (Atombindung oder Ionenbindung) erhalten, so liefert die Elektronegativitätsdifferenz (EN-Differenz) die notwendige Grundlage.

Element Na Mg Al Si P S Cl
Elektronegativität 0,9 1,2 1,5 1,8 2,1 2,5 3,0
Verbindung NaCl MgCl2 AlCl3 SiCl4 PCl3 SCl2 Cl2
EN-Differenz 2,1 1,8 1,5 1,2 0,9 0,5 0,0
Bindungsart Ionenb. Ionenb. *) Atomb. Atomb. Atomb. Atomb.
Siedetemp. (°C) 1441 1412 183 58 76 59 – 34

Liegt eine große Elektronegativitätsdifferenz vor, kommt es zu einem Elektronenübergang zwischen den Reaktionspartnern (einem Metall und einem Nichtmetall). Es entstehen Ionenpaare und als Bindungsart eine Ionenbindung. Dies ist bei NaCl und MgCl2 der Fall. Bei SiCl4 bis Cl2 liegen Atombindungen vor, da die Elektronegativitätsdifferenz für einen Elektronenübergang zu gering ist. Zwischen beiden Bindungsarten muss es also Übergänge geben. So sind die Bindungen im SiCl4 und im PCl3 durchaus polar. Es bleibt aber bei Atombindungen. Die Verbindungen bestehen aus Molekülen!

*) Eine Übergangsstellung nimmt das AlCl3 ein. Es kristallisiert als Feststoff zwar in einer für ionische Verbindungen typischen Struktur, im Dampf bilden sich jedoch keine Ionenpaare sondern Al2Cl6-Moleküle.

Die ionischen Verbindungen weisen auffallend hohe Siedetemperaturen auf. Die Hintergründe werden weiter unten erläutert.

Die entstandenen Ionen besitzen beide eine volle äußere Schale. Natrium hat durch die Abgabe seines Valenzelektrons seine dritte Schale aufgelöst. Es besitzt zwei volle Schalen und hat mit jetzt 10 Elektronen die gleiche Elektronenkonfiguration wie das Neon: 1s2, 2s2, 2p6. Chlor hat durch die Aufnahme eines Elektrons seine dritte Schale zur Achterschale (Elektronenoktett) aufgefüllt. Die d-Orbitale bleiben natürlich unberücksichtigt. Damit ist die Edelgaskonfiguration des Argons entstanden: 1s2, 2s2, 2p6, 3s2, 3p6.

Diese Zusammenhänge werden auch in der Oktettregel zum Ausdruck gebracht, wonach die Atome bestrebt sind, in chemischen Reaktionen eine Edelgaskonfiguration zu erreichen.

Bildung eines Ionengitters

Die Entstehung von Kationen und Anionen geschieht in der stark exothermen Reaktion in der Gasphase. Während des Abkühlens ziehen sich die beiden Ionenarten gegenseitig an. Es wirken elektrostatische Anziehungskräfte. Stellt man sich die Ionen als Kugeln vor, wirken diese Kräfte in alle Raumrichtungen gleichermaßen. Die Folge ist, dass sich die Ionen in sehr regelmäßiger Weise anordnen. Es entsteht ein Ionengitter. (Im Gegensatz dazu sind die Atombindungen gerichtet, d.h. zwischen den Bindungen liegen definierte Winkel vor.)

Die Anziehungskräfte zwischen den Ionen lassen sich nach dem Coulomb’schen Gesetz berechnen:

\(F = k \cdot \frac { Q _ { 1 } \cdot Q _ { 2 } } { r ^ { 2 } }\)

F = Kraft (in N),
Q1 = Ladung des Kations (in As),
Q2 = Ladung des Anions (in As),
r = Abstand der beiden Ladungszentren (in m), also der Abstand der Atomkerne,
k = Konstante.

Im Ionengitter treten neben Anziehungskräften zwischen entgegengesetzt geladenen Ionen auch Abstoßungskräfte gleich geladener Ionen auf. All diese Kräfte befinden sich in einem Gleichgewicht.

Die Ionenradien weichen erheblich von den Atomradien ab. Wie bereits erwähnt, verliert Natrium seine 3. Schale. Der Radius nimmt dadurch von 186 pm auf 95 pm ab. Beim Chlor kommt es zu einer Radienzunahme von den 99 pm des Chloratoms auf 181 pm beim Chlorid-Ion. Durch das zusätzliche Elektron, das in die 3. Schale eingebaut worden ist, verstärkt sich die Elektron-Elektron-Abstoßung. Gleichzeitig wirkt die Anziehungskraft des Kerns (17 Protonen) nicht mehr auf 17 sondern auf 18 Elektronen.

© Belinda Flemming: Ionenradien der Elemente (2.- 4. Periode), CC BY-SA

Energiebilanz der NaCl-Synthese

Als ein Grund für die Bildung von Ionenpaaren bzw. eines Ionengitters wurde das Streben nach einer vollen äußeren Schale angegeben. Der zweite Grund liegt in der frei werdenden Energie. Die Kochsalzbildung und viele andere Reaktionen, die zu Verbindungen mit Ionengittern führen, sind stark exotherme Reaktionen. Stellt man eine Energiebilanz der Vorgänge während der Reaktion auf, so erweist sich die Gitterenergie als die bedeutendste Teilenergie.

Die Reaktionsgleichung 2 Na + Cl2 → 2 NaCl  zeigt, dass 2 Natriumatome mit einem Chlormolekül reagieren. Dieses Verhältnis muss auch in der Energiebilanz berücksichtigt werden. Die angegebenen Energiebeträge beziehen sich nicht auf einzelne Teilchen sondern auf ein Mol Teilchen (= 6,022 . 1023 Teilchen).

Belinda Flemming: Synthese eines Salzes aus den Elementen am Beispiel von Natriumchlorid, CC BY-SA

Die Vorgänge lassen sich im einzelnen wie folgt beschreiben:

1. Die Sublimation des Natrium meint den Übergang des festen Metalls in Natriumdampf. Dabei müssen die Anziehungskräfte zwischen den Natriumatomen überwunden werden. Dies ist ein endothermer Vorgang.

2. Die Dissoziation des Chlors bedeutet das Öffnen der Atombindung zwischen den beiden Chloratomen eines Moleküls. Dazu ist ebenfalls Energie erforderlich. Es handelt sich um die Energie, die bei der Bildung eines Chlormoleküls frei geworden ist, also die Bindungsenergie. Man spricht auch von Dissoziationsenergie.

3. Die Ionisierung des Natriums bezieht sich auf den Vorgang der Elektronenabgabe. Natriumatome werden zu Natrium-Kationen. Dabei muss die Ionisierungsenergie aufgewendet werden.

4. Die Bildung der Chlorid-Ionen ist ein exothermer Vorgang. Die frei werdende Energie heißt Elektronenaffinität.

5. Die Bildung des Ionengitters liefert schließlich den größten Teilbetrag. Die zwischen den zunächst gasförmigen Natrium- und Chlorid-Ionen wirkenden Anziehungskräfte führen zum Aufbau des Ionengitters. Dabei wird die Gitterenergie frei.

Betrachtet man die Gesamtbilanz des Vorgangs, so wird mehr Energie frei, als für alle endothermen Teilvorgänge zusammengenommen hineingesteckt werden musste.

Bildung der Verhältnisformeln von Salzen mithilfe der Ionenladung von Atom-Ionen und Molekül-Ionen:

Regeln zur Benennung von Verhältnisformeln von Salzen:

Übersicht über wichtige Ionen und Säuren:

© Belinda Flemming: Übersicht wichtiger Ionen und Säuren, CC BY-SA