3.2.2 Erstellen einer Redoxgleichung im sauren/basischen Milieu

Redoxreaktion im sauren Milieu:

Eine violette Kaliumpermanganatlösung wird angesäuert und mit einer farblosen Natriumsulfitlösung versetzt. Die violette Farbe verschwindet. Die Lösung ist farblos. Die gelösten Salze haben die Formeln KMnO4 und Na2SO3. In der Lösung befinden sich also vor der Reaktion die Ionen K+ + MnO4 + 2 Na+ + SO32-. Aber nur die MnO4-Ionen und die SO32--Ionen reagieren miteinander. Man formuliert daher aus Gründen der Vereinfachung verkürzte Ionengleichungen. Die Reaktionsprodukte müssen dabei natürlich bekannt sein.
Ionengleichungen in der Rohform:

MnO4→ Mn2+
SO32- → SO42-

Regeln zum Erstellen einer Reaktionsgleichung (zum Erstellen ausgewählter Redoxreaktionen)

1. Erstellen der Teilgleichungen in Rohform.

2. Richtigstellen der Teilgleichungen im Hinblick auf alle Elemente mit Ausnahme des Sauerstoffs.

3. Richtigstellen der Teilgleichungen unter Einbeziehung des Sauerstoffs je nach Reaktionsbedingungen:

3.1 Reaktionen im nichtwässrigen Milieu (Gase, Feststoffe, Schmelzen etc.):
Fehlender Sauerstoff wird durch Einführen on Oxid-Anionen (O2-) ausgeglichen.

3.2 Reaktionen im wässrigen Milieu (saure Bedingungen):
Für jeden fehlenden Sauerstoff werden drei Wassermoleküle eingeführt. Auf der anderen Seite des Reaktionspfeils sind die mit dem Wasser eingeführten Wasserstoffatome durch Einführung einer entsprechenden Anzahl an Hydronium-Ionen (H3O+) auszugleichen, in der Regel beträgt die Zahl 2/3 der eingeführten Wassermoleküle.

3.3 Reaktionen im wässrigen Milieu (alkalische Bedingungen):
Fehlender Sauerstoff wird durch Einführen der doppelten Anzahl an Hydroxid-Ionen (OH-) ausgeglichen. Auf der anderen Seite des Reaktionspfeils sind zum endgültigen Ausgleich Wassermoleküle einzuführen, deren Zahl in der Regel der Hälfte der eingeführten Hydroxid-Ionen entspricht.

4. Ermitteln der Oxidationszahlen.

5. Einführen der Elektronen in die Teilgleichungen:
Erhöht sich eine Oxidationszahl (Oxidation), erscheinen die Elektronen rechts.
Erniedrigt sich eine Oxidationszahl (Reduktion), erscheinen die Elektronen links.
Die Zahl der Elektronen ergibt sich aus der Differenz der Oxidationszahlen unter Berücksichtigung der vor den Oxidationszahlen stehenden Faktoren und der stöchiometrischen Koeffizienten vor den Formeln. Sicherheitshalber ist hier zu überprüfen, ob die Gesamtzahl der Ladungen (Ionenladungen + Elektronen) rechts und links des Reaktionspfeils übereinstimmen.

6. Vergleich der Elektronenzahlen in beiden Teilgleichungen. Eventuell Ausgleich durch entsprechende Multiplikation der Teilgleichungen.

7. Addition der Teilgleichungen zur Gesamtgleichung und Herausstreichen von Gleichem auf beiden Seiten des Reaktionspfeils.

Erstellen einer Reaktionsgleichung

Zurück zum Reaktionsbeispiel. Regel 1 ist erledigt. Auch Regel 2 ist erfüllt, da links und rechts des Reaktionspfeils je ein Mn bzw. ein S vorkommen.

Teilgleichung I:       MnO4→ Mn2+
Teilgleichung II:      SO32- → SO42-

Da die Reaktion in saurem, wässrigem Milieu stattfindet, ist der Sauerstoff nach Regel 3.2 auszugleichen. In Teilgleichung I fehlen auf der rechten Seite 4 Sauerstoffatome. Daher führt man rechts die dreifache Anzahl an Wasser an, also 12 Wasser. Zum Ausgleich sind auf der linken Seite 8 Hydronium-Ionen einzuführen. Die Gleichungen sehen dann so aus:

Teilgleichung I:       MnO4 + 8 H3O+ → Mn2+ + 12 H2O
Teilgleichung II:      SO32- + 3 H2O → SO42- + 2 H3O+ 

Nach Einführen der OZ (Regel 4) ergibt sich folgendes Bild:

Teilgleichung I:

Teilgleichung II:

Regel 5 hilft beim Einführen der Elektronen.

Erhöht sich im Verlauf einer Reaktion die Oxidationszahl, so liegt eine Oxidation vor.
Erniedrigt sich im Verlauf einer Reaktion die Oxidationszahl, so liegt eine Reduktion vor.

In Teilgleichung I ändert sich ausschließlich die OZ des Mangans von +7 auf +2. Dies ist eine Erniedrigung, daher liegt eine Reduktion vor. Die Differenz der OZ beträgt 5. Es müssen 5 Elektronen auf der linken Seite eingeführt werden.

Reduktion:

In Teilgleichung II ändert sich nur die OZ des Schwefels. Sie nimmt von +4 nach +6 zu. Es liegt eine Oxidation vor. Zwei Elektronen (Differenz von +4 und +6) werden abgegeben und erscheinen daher auf der rechten Seite.

Oxidation:

Regel 6 macht es erforderlich, dass die Reduktionsteilgleichung mit 2 multipliziert und die Oxidations-teilgleichung mit 5 multipliziert wird.

Reduktion: 2 MnO4 + 16 H3O+ + 10 e→ 2 Mn2+ + 24 H2O
Oxidation: 5 SO32- + 15 H2O → 5 SO42- + 10 H3O+ + 10 e 

Nun ist die Zahl der aufgenommenen und abgegebenen Elektronen gleich. Die beiden Teilgleichungen können addiert werden.

Gesamtgleichung: 2 MnO4 + 5 SO32- + 6 H3O+ → 2 Mn2+ + 5 SO42- + 9 H2O

Oxidationsmittel und Reduktionsmittel

Das Oxidationsmittel ist der Stoff, der seinen Reaktionspartner oxidiert und dabei selbst reduziert wird.
Das Reduktionsmittel ist der Stoff, der seinen Reaktionspartner reduziert und dabei selbst oxidiert wird.

Reduziert wird im Beispiel MnO4. Es ist daher Oxidationsmittel.
Oxidiert wird im Beispiel SO32-. Es ist daher Reduktionsmittel.

Redoxreaktion im basischen Milieu:

Führt man die gleiche Reaktion nur unter alkalischen Bedingungen durch, so zeigt sich im Reaktionsverlauf zunächst eine Grünfärbung und schließlich ein brauner Niederschlag von Mangandioxid („Braunstein“). Bei der Reduktion vom Permanganat wird die Oxidationsstufe VI des Mangans durchlaufen. Es entsteht für einige Sekunden das MnO42--Ion, in dem das Mn die OZ +6 aufweist. Die Teilgleichungen in der Rohform lauten:

Teilgleichung I: MnO4→  MnO2
Teilgleichung II: SO32- → SO42-

Zum Ausgleich des Sauerstoffs wird Regel 3.3 angewandt.

Teilgleichung I: MnO4 + 2 H2O → MnO2 + 4 OH
Teilgleichung II: SO32- + 2 OH–  → SO42- + H2O

Nach Einführung der Oxidationszahlen und der Elektronen erhält man:

Reduktion:

Oxidation:

Nach Angleichung der Elektronen durch Erweiterung mit dem Faktor 2 bzw. 3 erhält man:

Reduktion:

Oxidation:

Die Gesamtgleichung lautet dann:

2 MnO4 + 3 SO32- + H2O → 2 MnO2 + 3 SO42- + 2 OH 

Oxidationsmittel ist wieder MnO4 und Reduktionsmittel SO32-

Redoxreaktion ohne Wasser:

Schmilzt man Kaliumnitrat in einem hitzbeständigen Reagenzglas und lässt ein glühendes Stück Holzkohle auf die Salzschmelze fallen, so vollführt die Holzkohle eine Art „Tanz“ auf der heißen Schmelze. Denn bei der stark exothermen Reaktion treten Gase (N2 und CO2) auf, die das Kohlestück immer wieder nach oben werfen. Außerdem ist ein weißer Rauch zu beobachten (K2O).

Die Reaktionsgleichung sieht in der Rohform so aus:

Teilgleichung I: C →  CO2

Teilgleichung II: KNO3 → N2  +  K2O

Regel 2 erfordert folgende Korrektur in Teilgleichung II:

Teilgleichung I: C → CO2

Teilgleichung II: 2 KNO3 → N2  +  K2O

Da kein Wasser als Lösungsmittel im Spiel ist, wird der Sauerstoff nach Regel 3.1 ausgeglichen:

Teilgleichung I: C  + 2 O2- → CO2

Teilgleichung II: 2 KNO3 →  N2  +  K2O  +  5 O2-

Die Oxidationszahlen werden ermittelt:

  0   -2   +4 2(-2)
Teilgleichung I:  C   +  2  O2-    C  O2
     +1+5 3(-2)   0    2(+1)-2             -2
Teilgleichung II:  2 K N O3  N2   +  KO   + 5 O2-

In Teilgleichung I erhöht sich die Oxidationszahl des Kohlenstoffs von 0 auf + 4. Es liegt also eine Oxidation vor, bei der 4 Elektronen abgegeben werden.

In Teilgleichung II erniedrigt sich die Oxidationszahl des Stickstoffs von + 5 auf 0. Es liegt also eine Reduktion vor, bei der zweimal 5 Elektronen aufgenommen werden. Damit erhält man:

Teilgleichung I: C  +  2 O2- → CO +  4 e
Teilgleichung II: 2 KNO3  +  10 e → N2  +  K2O  +  5 O2-

In Teilgleichung I erhöht sich die Oxidationszahl des Kohlenstoffs von 0 auf + 4. Es liegt also eine Oxidation vor, bei der 4 Elektronen abgegeben werden.

In Teilgleichung II erniedrigt sich die Oxidationszahl des Stickstoffs von + 5 auf 0. Es liegt also eine Reduktion vor, bei der zweimal 5 Elektronen aufgenommen werden. Damit erhält man:

Teilgleichung I: C  +  2 O2- → CO +  4 e
Teilgleichung II: 2 KNO3  +  10 e → N2  +  K2O  +  5 O2-

Nach Regel 6 muss Teilgleichung I mit 5 und Teilgleichung II mit 2 multipliziert werden:

Teilgleichung I: 5  C  +  10 O2- → 5 CO +  20 e
Teilgleichung II: 4 KNO3  +  20 e → 2 N2  +  2 K2O  +  10 O2-

Die Gesamtgleichung lautet dann:

4 KNO3  +  5 C → 2 K2O  +  2 N2  +  5 CO

Redoxreaktionen und Protolysereaktionen im Vergleich

Zwischen Redoxreaktionen und Protolysereaktionen besteht eine gewisse Analogie. Während bei Redoxreaktionen Elektronen zwischen den Reaktionspartnern ausgetauscht werden, sind es bei den Protolysen die Protonen (H+). Vergleiche dazu das Kapitel „Säure-Base-Theorien“.

Der Vorgang kann jeweils in zwei Teilschritte zerlegt werden:

Elektronenabgabe: Ca → Ca2+ + 2 e
Elektronenaufnahme: S + 2 e → S2-

Protonenabgabe: HCl → Cl + H+ 
Protonenaufnahme: H2O + H+ → H3O+

Das Elektronen abgebende Teilchen (hier Ca) ist das Reduktionsmittel.
Das Elektronen aufnehmende Teilchen (hier S) ist das Oxidationsmittel.

Reversible Elektronenübergänge

Grundsätzlich sind chemische Reaktionen umkehrbar. Dies gilt auch für Redoxreaktionen. Freiwillig verlaufen sie allerdings nur in eine Richtung. Man kann ihre Umkehrung jedoch unter Zufuhr von Energie erzwingen. Die eingesetzte Energie kann sowohl von einem chemischen Prozess geliefert werden als auch in Form elektrischer Energie. Die folgenden technisch wichtigen Reaktionen sind Beispiele dafür.

Das Protonen abgebende Teilchen (hier HCl) ist die Säure.
Das Protonen aufnehmende Teilchen (hier H2O) ist die Base.

Es sei noch einmal betont, dass es sich hier nur um eine äußerliche (formale) Ähnlichkeit handelt. Die chemischen Voraussetzungen für ein Stoffpaar, das eine oder das andere Reaktionsmuster zu zeigen, sind völlig andere.