5.1 Synthese und Aufbau von Salzen

Bildung von Kationen und Anionen

Lässt man Chlorgas über erwärmtes Natrium strömen, kommt es zu einer heftigen Reaktion zwischen diesen Elementen. Es wird Energie in Form von Wärme und gelbem Licht abgegeben. Das Reaktionsprodukt ist ein weißer Feststoff, Natriumchlorid oder Kochsalz.

Treffen das Alkalimetall Natrium und das Halogen Chlor aufeinander, so kommt es zu einem Elektronenübergang von Natrium zu Chlor.

Betrachtet man sich die Elektronegativitäten der beteiligten Elemente, 0,9 für Na und 3,0 für Cl, so liegt die beachtliche Elektronegativitätsdifferenz von 2,1 vor. Nähme man eine Atombindung zwischen den beiden Atomen Na und Cl an, so wäre diese Bindung extrem polar. Derart polare Atombindungen existieren jedoch nicht. Das Bestreben des Chlors, Bindungselektronen an sich zu ziehen, ist gegenüber dem elektropositiven Natrium so groß, dass das “Bindungselektronenpaar” vom Chlor vollständig übernommen wird. Natrium hat also ein Elektron abgegeben, Chlor hat dieses Elektron aufgenommen. Es ist ein Ionenpaar entstanden (Natrium-Kation und Chlorid-Anion).

© Belinda Flemming: Die Bildung von Ionen aus Elementatomen (Schalenmodell, Valenzelektronenschreibweise, Teilchenformeln, Ionenbildungsgleichungen, Gesamtgleichung und Wortgleichung), CC BY-SA

Die Bereitschaft des Natriums sein Valenzelektron abzugeben äußert sich nicht nur in der geringen Elektronegativität, sondern auch in der niedrigen Ionisierungsenergie von 5,1 eV für das erste Elektron.

Will man auch bei anderen Chloriden der Elemente der 3. Periode eine Aussage über die Art der Bindung (Atombindung oder Ionenbindung) erhalten, so liefert die Elektronegativitätsdifferenz (EN-Differenz) die notwendige Grundlage.

© Belinda Flemming: Differenz der Elektronegativität von Elementen zur Vorhersage der Bildung von Stoffgruppen, CC BY-SA

Liegt eine große Elektronegativitätsdifferenz vor, kommt es zu einem Elektronenübergang zwischen den Reaktionspartnern (einem Metall und einem Nichtmetall). Es entstehen Ionenpaare und als Bindungsart eine Ionenbindung. Dies ist bei NaCl und MgCl2 der Fall. Bei SiCl4 bis Cl2 liegen Atombindungen vor, da die Elektronegativitätsdifferenz für einen Elektronenübergang zu gering ist. Zwischen beiden Bindungsarten muss es also Übergänge geben. So sind die Bindungen im SiCl4 und im PCl3 durchaus polar. Es bleibt aber bei Atombindungen. Die Verbindungen bestehen aus Molekülen!

*) Eine Übergangsstellung nimmt das AlCl3 ein. Es kristallisiert als Feststoff zwar in einer für ionische Verbindungen typischen Struktur, im Dampf bilden sich jedoch keine Ionenpaare sondern Al2Cl6-Moleküle.

Die ionischen Verbindungen weisen auffallend hohe Siedetemperaturen auf. Die Hintergründe werden weiter unten erläutert.

Die entstandenen Ionen besitzen beide eine volle äußere Schale. Das Natrium-Atom hat durch die Abgabe seines Valenzelektrons seine dritte Schale aufgelöst. Es besitzt zwei volle Elektronenschalen und hat mit jetzt 10 Elektronen die gleiche Elektronenkonfiguration wie das Neon-Atom: 2/8. Das Chlor-Atom hat durch die Aufnahme eines Elektrons seine dritte Schale zur Achterschale (Elektronenoktett) aufgefüllt. Damit ist die Edelgaskonfiguration des Argon-Atoms entstanden: 2/8/8

Diese Zusammenhänge werden auch in der Oktettregel zum Ausdruck gebracht, wonach die Atome bestrebt sind, in chemischen Reaktionen eine Edelgaskonfiguration zu erreichen.

Beispiele für die Bildung eines Salzes

Zunächst stellt man die Ionenbildungsgleichungen für die an der Reaktion beteiligten Element auf. Das Metall gibt immer Elektronen ab, das Nichtmetall nimmt die abgegebenen Elektronen auf. Zur Erstellung der Gesamtgleichung werden die beiden Teilgleichungen der Ionenbildung miteinander kombiniert. Hierbei muss sicher gestellt werden, dass die gleiche Anzahl an Elektronen aus der Elektronenabgabe in die Elektronenaufnahme fließen kann. Dazu bildet man das Kleinste gemeinsam Vielfache der Elektronen und multipliziert die Teilgleichungen mit den sich daraus ergebenden kleinsten Faktoren durch. Im Anschluss werden die Elektronen aus den Teilgleichungen gekürzt und nicht mit in die Gesamtgleichung übernommen. Die Gesamtgleichung enthält nun die tatsächliche Teilchenanzahl der Stoffe, welche in der Natur mindestens miteinander reagieren muss, damit ein bestimmter neuer Stoff mit spezifischen Eigenschaften entstehen kann.

Beispiel 1: Reaktion von \(Mg\) mit \(O_2\)

Wortgleichung: Magnesium +  Sauerstoff  → Magnesiumoxid

Elektronen-Abgabe: \(Mg\rightarrow Mg^{2+}+2e^-\)     /x2

Elektronen-Aufnahme: \(O_2+4e^-\rightarrow2O^{2-}\)

Gesamtgleichung: \(2 Mg+O_2\rightarrow2Mg^{2+}+2O^{2-}\)

Gesamtgleichung: \(2 Mg+O_2\rightarrow2MgO\)

2 Magnesium-Atome geben jeweils 2 Elektronen ab, wodurch 2 Magnesium-Ionen mit 2-fach positiver Ladung entstehen. Von den abgegebenen 4 Valenzelektronen werden jeweils 2 von einem Sauerstoff-Atom des Sauerstoff-Moleküls aufgenommen. Es entstehen 2 Sauerstoff-Ionen mit 2-fach negativer Ladung. Alle Ionen besitzen nun 8 Elektronen auf der Außenschale und haben damit Edelgaskonfiguration erhalten. Beide Ionenarten haben die Elektronenkonfiguration des Edelgases Neon, mit insgesamt 10 Elektronen in der Atomhülle (Elektronenkonfiguration 2/8).

Magnesium-Atom: 2/8/2 → Magnesium-Ion: 2/8

Sauerstoff-Atom: 2/6 → Sauerstoff-Ion: 2/8

Beispiel 2: Reaktion von \(Al\) mit \(O_2\)

Wortgleichung: Aluminium +  Sauerstoff  → Dialuminiumtrioxid

Elektronen-Abgabe: \(Al\rightarrow Al^{3+}+3e^-\)     /x4

Elektronen-Aufnahme: \(O_2+4e^-\rightarrow2O^{2-}\)    /x3

Gesamtgleichung: \(4Al+3O_2\rightarrow4Al^{3+}+6O^{2-}\)

Gesamtgleichung: \(4Al+3O_2\rightarrow2Al_2O_3\)

4 Aluminium-Atome geben jeweils 3 Elektronen ab, wodurch 4 Aluminium-Ionen mit 3-fach positiver Ladung entstehen. Von den abgegebenen 12 Valenzelektronen werden jeweils 2 von einem Sauerstoff-Atom der 3 Sauerstoff-Moleküls aufgenommen. Es entstehen 6 Sauerstoff-Ionen mit 2-fach negativer Ladung. Alle Ionen besitzen nun 8 Elektronen auf der Außenschale und haben damit Edelgaskonfiguration erhalten. Beide Ionenarten haben die Elektronenkonfiguration des Edelgases Neon, mit insgesamt 10 Elektronen in der Atomhülle (Elektronenkonfiguration 2/8).

Aluminium-Atom: 2/8/3 → Aluminium-Ion: 2/8

Sauerstoff-Atom: 2/6 → Sauerstoff-Ion: 2/8

Entstehung eines Ionengitters

Die Entstehung von Kationen und Anionen geschieht in der stark exothermen Reaktion in der Gasphase. Während des Abkühlens ziehen sich die beiden Ionenarten gegenseitig an. Es wirken elektrostatische Anziehungskräfte. Stellt man sich die Ionen als Kugeln vor, wirken diese Kräfte in alle Raumrichtungen gleichermaßen. Die Folge ist, dass sich die Ionen in sehr regelmäßiger Weise anordnen. Es entsteht ein Ionengitter. (Im Gegensatz dazu sind die Atombindungen gerichtet, d.h. zwischen den Bindungen liegen definierte Winkel vor.)

Im Ionengitter treten neben Anziehungskräften zwischen entgegengesetzt geladenen Ionen auch Abstoßungskräfte gleich geladener Ionen auf. All diese Kräfte befinden sich in einem Gleichgewicht.

Die Ionenradien weichen erheblich von den Atomradien ab. Wie bereits erwähnt, verliert das Natrium-Atom seine 3. Schale durch die Abgabe seines einzigen Valenzelektrons. Der Radius nimmt dadurch von 186 pm (Natrium-Atom) auf 95 pm (Natrium-Ion) ab. Beim Chlor-Atom kommt es zu einer Radiuszunahme von den 99 pm (Chlor-Atom) auf 181 pm (Chlorid-Ion). Durch das zusätzliche Elektron, das in die 3. Schale eingebaut worden ist, verstärkt sich die Elektron-Elektron-Abstoßung in der Atomhülle. Gleichzeitig wirkt die Anziehungskraft des Kerns (17 Protonen) nicht mehr auf 17 sondern auf 18 Elektronen.

© Belinda Flemming: Ionenradien der Elemente (2.- 4. Periode), CC BY-SA

Energiebilanz der NaCl-Synthese

Als ein Grund für die Bildung von Ionenpaaren bzw. eines Ionengitters wurde das Streben nach einer vollen äußeren Schale angegeben. Der zweite Grund liegt in der frei werdenden Energie. Die Kochsalzbildung und viele andere Reaktionen, die zu Verbindungen mit Ionengittern führen, sind stark exotherme Reaktionen. Stellt man eine Energiebilanz der Vorgänge während der Reaktion auf, so erweist sich die Gitterenergie als die bedeutendste Teilenergie.

Die Reaktionsgleichung 2 Na + Cl2 → 2 NaCl  zeigt, dass 2 Natriumatome mit einem Chlormolekül reagieren. Dieses Verhältnis muss auch in der Energiebilanz berücksichtigt werden. Die angegebenen Energiebeträge beziehen sich nicht auf einzelne Teilchen sondern auf ein Mol Teilchen (= 6,022 . 1023 Teilchen).

© Belinda Flemming: Energiebilanz zur Synthese eines Salzes aus den Elementen am Beispiel von Natriumchlorid, CC BY-SA

Die Einzelvorgänge werden wie folgt beschrieben:

1. Die Sublimation des Natrium meint den Übergang des festen Metalls in Natriumdampf. Dabei müssen die Anziehungskräfte zwischen den Natriumatomen überwunden werden. Dies ist ein endothermer Vorgang.

2. Die Dissoziation des Chlors bedeutet das Öffnen der Atombindung zwischen den beiden Chloratomen eines Moleküls. Dazu ist ebenfalls Energie erforderlich. Es handelt sich um die Energie, die bei der Bildung eines Chlormoleküls frei geworden ist, also die Bindungsenergie. Man spricht auch von Dissoziationsenergie.

3. Die Ionisierung des Natriums bezieht sich auf den Vorgang der Elektronenabgabe. Natriumatome werden zu Natrium-Kationen. Dabei muss die Ionisierungsenergie aufgewendet werden.

4. Die Bildung der Chlorid-Ionen ist ein exothermer Vorgang. Die frei werdende Energie heißt Elektronenaffinität.

5. Die Bildung des Ionengitters liefert schließlich den größten Teilbetrag. Die zwischen den zunächst gasförmigen Natrium- und Chlorid-Ionen wirkenden Anziehungskräfte führen zum Aufbau des Ionengitters. Dabei wird die Gitterenergie frei.

Betrachtet man die Gesamtbilanz des Vorgangs, so wird mehr Energie frei, als für alle endothermen Teilvorgänge zusammengenommen hineingesteckt werden musste.