Steckbriefaufgaben

Erinnerung

In den vorherigen Kapiteln haben wir gesehen, wie wir allein aus dem Funktionsterm einer Funktion mithilfe verschiedener rechnerischer Tricks (Ableiten, Nullstellen ermitteln, Vorzeichenuntersuchung) besondere Eigenschaften des zugehörigen Funktionsgraphen ermitteln können, ohne den Graphen zu zeichnen.

Ausblick

Es gibt Situationen, in denen „nur“ ein Ausschnitt eines Funktionsgraphen vorliegt, oder sogar nur ein paar Informationen über besondere Eigenschaften des Funktionsgraphen vorliegen. Um letztendlich dann doch den gesamten Funktionsgraphen rekonstruieren zu können, benötigt man einen passenden Funktionsterm für diesen Funktionsgraphen.

In diesem Kapitel werden wir sehen, wie man allein aus einer Hand voll Informationen über einen Funktionsgraphen einen passenden Funktionsterm ermitteln kann.\(\newcommand{\IR}{\mathrm{I\!R}} \newcommand{\curvelinks}{\style{display: inline-block; transform: rotate(0.5turn);}{\curvearrowleft}}\newcommand{\abl}[1]{{#1}^{\large\prime}}\newcommand{\abb}[1]{{#1}^{\large\prime \prime}}\)

Einführungsbeispiel

Von einer ganzrationalen Funktion \(f\) dritten Grades mit der Definitionsmenge \(D_f = \IR\) sei bekannt, dass ihr Graph die \(y\)-Achse im Punkt \(S(0|2)\) schneidet, im Punkt \(T(2|-2)\) einen lokalen Tiefpunkt besitzt und an der Stelle \(x = -1\) eine Tangente mit der Steigung \(9\) besitzt.

Ermitteln Sie einen möglichen Term der Funktion \(f\).

Lösungsvorschlag

Zuerst muss man die wesentlichen Eigenschaften in der Aufgabenstellung erkennen. Hier sind diese bereits gelb markiert.

Anschließend versuchen wir, jede der Eigenschaften mithilfe des Funktionsterms von \(f\) bzw. von \(\abl{f}\) mathematisch zu beschreiben:

\(f\) ist ganzrationale Funktion dritten Grades.

Die allgemeine Form des Terms einer ganzrationalen Funktion dritten Grades sieht folgendermaßen aus:

\(f(x) = a x^3 + b x^2 + c x + d\)

Das Ziel ist nun, konkrete Werte für \(a\), \(b\), \(c\) und \(d\) zu finden, so dass alle vorgegeben Eigenschaften (in der obigen Angabe gelb markiert) zutreffen.

Da wir auch den Term der Ableitungsfunktion verwenden werden, können wir ihn bereits jetzt schon einmal angeben:

\(\abl{f}(x) = 3a x^2 + 2b x + c \)

\(G_f\) schneidet die \(y\)-Achse im Punkt \(S(0|2)\).

Der Punkt \(S\) hat

  • die \(x\)-Koordinate \(0\),
  • die \(y\)-Koordinate \(2\) und
  • liegt auf dem Graphen von \(f\)

Setzt man im Term \(f(x)\) also für \(x\) den Wert \(0\) ein, muss der Term den Wert \(2\) ergeben:

\(f(0) = 2\)

\(T(2|-2)\) ist Tiefpunkt von \(G_f\).

Der Punkt \(T(2|-2)\) liegt auf dem Graphen von \(f\).

Setzt man im Term \(f(x)\) also für \(x\) den Wert \(2\) ein, muss der Term den Wert \(-2\) ergeben:

\(f(2) = -2\)

Da \(T\) ein lokaler Tiefpunkt ist, muss \(G_f\) dort eine waagrechte Tangente besitzen. Die Ableitung von \(f\) hat an der Stelle \(x=2\) folglich die Steigung \(0\).

\(\abl{f}(2)=0\)

\(G_f\) hat bei \(x = -1\) eine Tangente mit der Steigung \(9\).

Die Steigung von Tangenten vom Graphen von \(f\) wird mithilfe der Ableitung von \(f\) berechnet:

\(\abl{f}(-1)=9\)

Aufstellen des linearen Gleichungssystems

Uns liegt zunächst „nur“ die Funktionsgleichung von \(f\) und von \(\abl{f}\) in allgemeiner Form vor:

  • \(f(x) = a x^3 + b x^2 + c x + d\)
  • \(\abl{f}(x) = 3a x^2 + 2b x + c \)

Außerdem haben aus den vorgegebenen Eigenschaften die folgenden vier konkreten Gleichungen gefolgert:

I) \(f(0) = 2\)
II) \(f(2) = -2\)
III) \(\abl{f}(2)=0\)
IV) \(\abl{f}(-1)=9\)

Die vier gefundenen Gleichungen können wir mithilfe von \(f(x)\) und von \(\abl{f}(x)\) ausführlicher darstellen:

I) \(f(0) = 2\)

II) \(f(2) = -2\)

III) \(\abl{f}(2)=0\)

IV) \(\abl{f}(-1)=9\)

\(\Rightarrow\quad a\cdot 0^3 + b\cdot 0^2 + c\cdot 0 + d = 2\)

\(\Rightarrow\quad a\cdot 2^3 + b\cdot 2^2 + c\cdot 2 + d = -2\)

\(\Rightarrow\quad 3a\cdot 2^2 + 2b\cdot 2 + c = 0\)

\(\Rightarrow\quad 3a\cdot(-1)^2 + 2b\cdot (-1) + c = 9\)

\(\Rightarrow\quad d = 2\)

\(\Rightarrow\quad 8 a + 4 b + 2 c + d = -2\)

\(\Rightarrow\quad 12 a + 4 b + c = 0\)

\(\Rightarrow\quad 3 a\ {-}\ 2 b + c = 9\)

Nachdem uns die Gleichung I) bereits verrät, dass \(d=2\) sein muss, bleibt uns zur Berechnung von \(a\), \(b\) und \(c\) ein Gleichungssystem aus drei Gleichungen mit den drei Unbekannten \(a\), \(b\) und \(c\).

Achtung: Die drei Gleichungen wurden neu durchnummeriert.

I) \(8 a + 4 b + 2 c + 2 = -2\)
II) \(12 a + 4 b + c = 0\)
III) \(3 a\ {-}\ 2 b + c = 9\)

Lösen des linearen Gleichungssystems

Das lineare Gleichungssystem können wir zum Beispiel mithilfe des Gaußverfahrens lösen.

Grundidee des Gauß-Verfahrens:

  • mithilfe einer der Gleichungen systematisch
  • in allen anderen Gleichungen eine der Variablen zum Verschwinden bringen,
  • um so ein Gleichungssystem mit weniger Gleichungen und weniger Variablen zu erhalten.
  • Dabei werden nur 3 verschiedene Umformungen des Gleichungssystems verwendet (sog. Gauß-Umformungen).

Gauß-Umformungen:

a) Vertauschen zweier Gleichungen

b) Multiplikation einer Gleichung mit einer von Null verschiedenen Zahl

c) Addition eines Vielfachen einer Gleichung zum Vielfachen einer anderen Gleichung

In dem nebenstehenden Geogebra-Applet kann das Verfahren Schritt für Schritt verfolgt werden.

  • Wenn Sie einen Tipp für die nächste Umformung angezeigt bekommen wollen, klicken Sie in dem Applet auf die Schaltfläche  Tipp .
  • Um anschließend einen der beiden Tipps durchzuführen, klicken Sie direkt auf   Tipp 1  oder  Tipp 2 .
  • Wenn Sie eine Eingabe wieder rückgängig machen wollen, klicken Sie auf die Schaltfläche mit dem grünen Pfeil, der nach links zeigt  \(\bf\Leftarrow\) .
  • Wenn Sie die Lösungsmenge sehen wollen, tippen Sie das Kommando #solve in die Eingabezeile ein.
  • Eine alternative, platzsparende Darstellung des Gleichungssystems ist die sog. Matrix-Darstellung. Um die Matrix-Darstellung anstelle des Gleichungssystems angezeigt zu bekommen, setzen Sie ein Häkchen in dem Kästchen bei „ Darstellung als Matrix“.

Eingabe-Format der Gauß-Umformungen

Zur besseren Lesbarkeit wurden bei der Nummerierung der Gleichungen mit römischen Ziffern Kleinbuchstaben gewählt, also i, ii, iii, … anstelle von I, II, III, …

  • Für das Mulitplizieren von Zeile  \(\text{I}\)  mit  \(\tfrac{1}{12}\)
    geben Sie ein: 1/12 i  oder  i:12  oder  i/12
  • Für das Vertauschen von Zeile  \(\text{I}\)  und Zeile  \(\text{II}\)
    geben Sie ein: i, ii
  • Um vom 3-fachen der  \(\text{III.}\)  das 5-fache der  \(\text{I.}\)  Zeile abzuziehen
    geben Sie ein: 3 iii  – 5 i
  • Um alle 4 Werte der \(\text{II.}\)  Zeile auf einmal einzugeben
    geben Sie ein: ii) 5, -1, -6, 9
    Das Geogebra-Applet überprüft anschließend, ob sich dahinter eine sinnvolle Umformung verbirgt, und falls ja, gibt es die erkannte Umformung an und führt diese durch.

Als Lösung des Gleichungssystems finden wir \(a=1\), \(b=-3\) und \(c=0\).

Außerdem hatten wir festgestell, dass \(d=2\) sein muss.

 

 

Ersetzen wir in der allgemeinen Form \(f(x)=ax^3+bx^2+cx+d\) alle 4 Unbekannten durch die gefundenen Werte (\(a=1\), \(b=-3\), \(c=0\), \(d=2\)), so erhalten wir die Funktionsgleichung \(f(x) = x^3 -3x^2+2\) der gesuchten Funktion \(f\).

Am Graphen von \(f:x\mapsto{x^3 -3x^2+2}\) können wir alle von der Aufgabenstellung geforderten Eigenschaften wiederfinden. Der Graph von \(f\)

  • schneidet die \(y\)-Achse im Punkt \(S_y(0|2)\),
  • hat im Punkt \(T(2|-2)\) einen lokalen Tiefpunkt und
  • hat bei \(x = -1\) eine Tangente mit der Steigung \(9\).
 

 

Wichtige Überlegungen zur Lösbarkeit von Steckbriefaufgaben

Im Einführungsbeispiel haben wir gesehen, dass man Steckbriefaufgaben lösen kann, indem man

  • zuerst den Funktionterm (und die Terme von evtl. weiteren benötigten Ableitungen) in allgemeiner Form angibt
  • dann sämtliche aufgelisteten Eigenschaften durch geeignete lineare Gleichungen beschreibt
  • und schließlich alle gefundenen Gleichungen zu einem Gleichungssystem zusammenfasst und dieses löst.

Kurze Darstellung der Lösung

\(\begin{array}{ll}
grad(f)=3 & \Rightarrow\quad f(x) = a x^3 + b x^2 + c x + d \\
& \Rightarrow\quad \abl{f}(x) = 3a x^2 + 2b x + c \\
\end{array}\)

\(\begin{array}{lll}
\textrm{I)} & f(0) = 2 & \Rightarrow\quad d = 2 \\
\textrm{II)} & f(2) = -2 & \Rightarrow\quad 8 a + 4 b + 2 c + d = -2 \\
\textrm{III)} & \abl{f}(2)=0 & \Rightarrow\quad 12 a + 4 b + c = 0 \\
\textrm{IV)} & \abl{f}(-1)=9 & \Rightarrow\quad 3 a\ {-}\ 2 b + c = 9 \\
\end{array}\)

\(d=2\) einsetzen und neu durchnummerieren:

\(\begin{array}{lll}
\textrm{I)} & 8 a + 4 b + 2 c + 2 & = -2 \\
\textrm{II)} & 12 a + 4 b + c & = 0 \\
\textrm{III)} & 3 a\ {-}\ 2 b + c & = 9 \\
\end{array}\)

Führt diese Vorgehensweise immer zum Ziel?

Wer sich mit linearen Gleichungssystemen auskennt, weiß, dass diese entweder

  • KEINE Lösung,
  • GENAU EINE Lösung oder
  • UNENDLICH VIELE Lösungen

haben können.

Es liegt also auf der Hand, dass diese Möglichkeiten auch bei Steckbriefaufgaben bestehen.

Beispiel 1 (unlösbare Steckbriefaufgabe)

Gesucht ist der Term einer Funktion \(h\) dritten Grades mit Definitionsmenge \(D_h=\IR\), deren Graph durch den Ursprung und den Punkt \(A(4|3)\) verläuft, außerdem den Wendepunkt \((2|2)\) besitzt.

Lösung:

Bereits anhand einer Skizze kann man erkennen, dass es eine solche Funktion nicht geben kann.

Es kann eine solche Funktion nicht geben, da

  • der Graph einer Funktion dritten Grades stets punktsymmetrisch zu seinem Wendepunkt sein muss,
  • der Ursprung \((0|0) \) und der Punkt \(A(4|3)\) nicht symmetrisch zum Wendepunkt \((2|2)\) liegen.
 

 

Rechnerisch:

Während der Durchführung des Lösungsverfahrens wird nach einer der Umformungen plötzlich eine Gleichung mit einer falschen Aussage auftauchen (also z.B. \(1 = 0\) ist eine falsche Aussage).

Ein Gleichungssystem, welches eine falsche Aussage beinhaltet, besitzt keine Lösung (d.h. die Lösungsmenge ist leer).

Folgerung:

Eine Funktion mit den in der Aufgabenstellung geforderten Aufgaben gibt es nicht.

\(\begin{array}{ll}
grad(h)=3 & \Rightarrow\quad h(x) = a x^3 + b x^2 + c x + d \\
& \Rightarrow\quad \abl{h}(x) = 3a x^2 + 2b x + c \\
& \Rightarrow\quad \abb{h}(x) = 6a x + 2b \\
\end{array}\)

\(\begin{array}{lll}
\textrm{I)} & h(0) = 0 & \Rightarrow\quad d = 0 \\
\textrm{II)} & h(2) = 2 & \Rightarrow\quad 8a + 4b + 2c + d = 2\\
\textrm{III)} & h(4) = 3 & \Rightarrow\quad 64a + 16b + 4c + d = 3\\
\textrm{IV)} & \abb{h}(2)=0 & \Rightarrow\quad 12a + 2b = 0 \\
\end{array}\)

\(d = 0\) einsetzen, neu durchnummerieren:

\(\begin{array}{lll}
\textrm{I)} & 8a + 4b + 2c = 2 \\
\textrm{II)} &  64a + 16b + 4c = 3 & | \textrm{II}-8\cdot \textrm{I} \\
\textrm{III)} & 12a + 2b = 0 & | 8\cdot \textrm{III}-12\cdot \textrm{I}\\
\end{array}\)

\(\begin{array}{lll}
\color{lightgray}{\textrm{I)}} & \color{lightgray}{8a + 4b + 2c = 2} \\
\textrm{II)} &  -16b -12c = -13\\
\textrm{III)} &  -32b-24c = -24 & | \textrm{III}-2\cdot \textrm{II}\\
\end{array}\)

\(\begin{array}{lll}
\color{lightgray}{\textrm{I)}} & \color{lightgray}{8a + 4b + 2c = 2} \\
\color{lightgray}{\textrm{II)}} &  \color{lightgray}{-16b -12c = -13}\\
\textrm{III)} &  0 = 2 & \textrm{(falsche Aussage)}\\
\end{array}\)

Gaußverfahren selber durchführen:

 

 

Beispiel 2 (unlösbare Steckbriefaufgabe)

Gesucht ist der Term einer Funktion \(q\) dritten Grades mit Definitionsmenge \(D_q=\IR\), deren Graph bei \(x=-3\) einen Hochpunkt hat, den Tiefpunkt \(T(1|{-}2)\) besitzt und bei \(x=0\) eine Tangente mit der Steigung \(\tfrac{1}{2}\) hat.

Lösung:

Bereits anhand einer Skizze würde man erkennen, dass es eine solche Funktion nicht geben kann.

Lösung:

Bereits anhand einer Skizze würde man erkennen, dass es eine solche Funktion nicht geben kann, da

  • der Tiefpunkt rechts vom Hochpunkt liegt
  • und folglich der Graph zwischen beiden Punkten streng monoton fallend sein muss
  • und somit die Tangentensteigungen dort nicht positiv sein können.
 

 

Problem:

Auf den ersten Blick ist es verblüffend, dass man auf rechnerische Weise eine eindeutige Lösung zu finden scheint.

\(\begin{array}{ll}
grad(q)=3 & \Rightarrow\quad q(x) = a x^3 + b x^2 + c x + d \\
& \Rightarrow\quad \abl{q}(x) = 3a x^2 + 2b x + c \\
\end{array}\)

\(\begin{array}{lll}
\textrm{I)} & q(1) = -2 & \Rightarrow\quad a+b+c+d = -2 \\
\textrm{II)} & \abl{q}(1)=0 & \Rightarrow\quad 3 a + 2 b + c = 0 \\
\textrm{III)} & \abl{q}(-3)=0 & \Rightarrow\quad 27 a -6 b + c = 0 \\
\textrm{IV)} & \abl{q}(0)=\tfrac{1}{2} & \Rightarrow\quad c = \tfrac{1}{2} \\
\end{array}\)

\(c = \tfrac{1}{2}\) einsetzen, Konstanten nach rechts, neu durchnummerieren:

\(\begin{array}{lll}
\textrm{I)} & a+b+d = -\tfrac{5}{2} \\
\textrm{II)} & 3 a + 2 b  = -\tfrac{1}{2} & | 3\cdot\textrm{II} + \textrm{III}\\
\textrm{III)} & 27 a -6 b  = -\tfrac{1}{2} & | \textrm{III} – 9\cdot\textrm{II}\\
\end{array}\)

\(\begin{array}{lll}
\textrm{I)} & a+b+d = -\tfrac{5}{2} \\
\textrm{II)} & 36 a  = -2 & \Rightarrow\quad a = -\tfrac{1}{18} \\
\textrm{III)} & -24b  = 4 & \Rightarrow\quad b = -\tfrac{1}{6} \\
\end{array}\)

\(a = -\tfrac{1}{18}\), \(b = -\tfrac{1}{6}\) in \( a+b+d = -\tfrac{5}{2}\) einsetzen:
\(-\tfrac{1}{18}-\tfrac{1}{6}+d = -\tfrac{5}{2}\quad\Rightarrow\quad d=-\tfrac{41}{18}\)

\(\Rightarrow\quad q(x)=-\tfrac{1}{18}x^3-\tfrac{1}{6}x^2+\tfrac{1}{2}x-\tfrac{41}{18}\)

Aber:

Diese Lösung passt nicht zur Aufgabenstellung!

Der Punkt \(T(1|-2)\) sollte laut Aufgabenstellung ein Tiefpunkt sein, also müsste er in einem linksgekrümmten Kurvenabschnitt liegen. Folglich müsste bei \(x=1\) die 2. Ableitung von \(q\) positiv sein.

Das überprüfen wir:

\(q(x)=-\tfrac{1}{18}x^3-\tfrac{1}{6}x^2+\tfrac{1}{2}x-\tfrac{41}{18}\)
\(\Rightarrow\quad\abl{q}(x)=-\tfrac{1}{6}x^2-\tfrac{1}{3}x+\tfrac{1}{2}\)
\(\Rightarrow\quad\abb{q}(x)=-\tfrac{1}{3}x-\tfrac{1}{3}\)

\(\abb{q}(1)=-\tfrac{1}{3}-\tfrac{1}{3}=-\tfrac{2}{3}<0\)

D.h. bei \(x=1\) ist die 2. Ableitung von \(q\) negativ!

Bei genauerer Betrachtung stellt man fest, dass der Graph der gefundenen Funktion bei

  • bei \(x=1\) keinen Tiefpunkt, sondern einen Hochpunkt hat und
  • bei \(x=-2\) nicht den gefordeten Hochpunkt besitzt, sondern einen Tiefpunkt.

Gaußverfahren selber durchführen:

 

 

Beispiel 3 (Steckbriefaufgabe mit unendlich vielen Lösungen)

Gesucht ist der Term einer Funktion \(u\) dritten Grades mit Definitionsmenge \(D_u=\IR\), deren Graph den Hochpunkt \(H(0|3)\) hat und die \(x\)-Achse bei \(x=-2\) schneidet.

Wenn zu wenige Informationen vorgegeben sind, um den Graphen der Funktion eindeutig zu beschreiben, muss der rechnerische Lösungsweg dazu führen, dass im Funktionsterm mindestens ein Parameter übrig bleibt – dieser sorgt dafür, dass es unendlich verschiedene Lösungsgraphen gibt.

\(\begin{array}{ll}
grad(u)=3 & \Rightarrow\quad u(x) = a x^3 + b x^2 + c x + d \\
& \Rightarrow\quad \abl{u}(x) = 3a x^2 + 2b x + c \\
\end{array}\)

\(\begin{array}{lll}
\textrm{I)} & u(0) = 3 & \Rightarrow\quad d = 3 \\
\textrm{II)} & \abl{u}(0)=0 & \Rightarrow\quad c = 0 \\
\textrm{III)} & u(-2)=0 & \Rightarrow\quad -8 a +4 b + 0 + 3 = 0 \\
\end{array}\)

Es bleibt eine einzige Gleichung mit den beiden Unbekannten \(a\) und \(b\):

\(-8 a +4 b + 3= 0\)

Es ist unmöglich einer einzigen linearen Gleichung mit 2 Unbekannten jeweils eine eindeutigen Wert für beide Unbekannten festzulegen.

Wir können die Gleichung so umstellen, dass z.B. \(b\) alleine auf einer Seite steht:

\(b = 2 a {-} \tfrac{3}{4}\)

Wenn wir für \(a\) nun irgendeinen Wert einsetzen, wissen wir, welchen Wert \(b\) dann haben muss – nämlich den doppelten Wert von \(a\), aber dann muss noch \(\tfrac{3}{4}\) abgezogen werden.

Da keine weiteren Aussagen über \(a\) vorliegen, die die Wahl des Wertes von \(a\) irgendwie einschränken, können wir der Wert von \(a\) folglich beliebig wählen. Um dieser Erkenntnis gerecht zu werden, lassen wir \(a\) als Parameter stehen, setzen aber die Erkenntnisse über \(b\), \(c\) und \(d\) in den ursprünglichen Funktionsterm \(u(x)\) ein:

\(a\in\IR,\ \ b = 2 a {-} \tfrac{3}{4},\ \ c=0,\ \ d=0\) in \( u(x) = a x^3 + b x^2 + c x + d \) einsetzen:

\(\Rightarrow\quad u(x)=a x^3 + (2 a {-} \tfrac{3}{4}) x^2 + 3\)

ACHTUNG:

Je nach Wert für den Parameter \(a\) kann es aber noch passieren, der Graph der zugehörigen Funktion plötzlich nicht mehr den in der Aufgabenstellung gewünschten Eigenschaften gerecht wird.

Verändern Sie im nebenstehenden Applet den Wert von \(a\) (mithilfe des Schiebreglers) und beobachten Sie, für welche Werte von \(a\) der Graph von \(u\) nicht mehr zur Aufgabenstellung passt.

Optisch aus dem Applet zu entnehmen:

Ab \(a\approx 0,4\) ist der Punkt \(H\) kein Hochpunkt mehr.

Rechnerische Untersuchung:

Man muss untersuchen, ab wann der Punkt \(H\) nicht mehr in einem rechtsgekrümmten Kurvenstück liegt.

In einem rechtsgekrümmten Kurvenstück liegt der Punkt \(H(0|3)\), wenn \(\abb{u}(0)<0\) ist.

\(u(x)=a x^3 + (2 a {-} \tfrac{3}{4}) x^2 + 3\)
\(\Rightarrow\quad\abl{u}(x)=3a x^2 + (4 a {-} \tfrac{3}{2}) x \)
\(\Rightarrow\quad\abb{u}(x)=6a x + (4 a {-} \tfrac{3}{2})\)

\(\abb{u}(0)<0\)
\(\Rightarrow\quad 4 a {-} \tfrac{3}{2}<0\)
\(\Rightarrow\quad a < \tfrac{3}{8}\)

Das heißt:

Sobald \(a \geq \tfrac{3}{8}\) gilt, liegt \(H\) nicht mehr in einem rechtsgekrümmten Kurvenabschnitt und kann folglich kein Hochpunkt des Graphen mehr sein.

 

 

Mögliche Angaben von Eigenschaften der Funktion bzw. ihres Graphen

Spezialfall 1: Funktion mit Graph, der zur \(y\)-Achse achsensymmetrisch ist

Beispiel:

Gegeben sei die ganzrationale Funktion \(f\) mit der Definitionsmenge \(D_f=\IR\) hat den Grad \(4\).

Der Graph von \(f\) sei achsensymmetrisch zur \(y\)-Achse.

Verlockend ist zunächst der Ansatz: \(f(x)= ax^4+bx^3+cx^2+dx+e\)

Aber…

Über ganzrationale Funktionen mit \(y\)-achsensymmetrischem Graphen wissen wir folgendes:

Der Graph einer ganzrationalen Funktion \(f\) ist genau dann achsensymmetrisch zur \(y\)-Achse,
wenn in dem ausmultiplizierte Term \(f(x)\) nur Summanden mit geraden Hochzahlen bei den Potenzen mit \(x\) vorkommen.

Folglich muss \(b=0\) und \(d=0\) sein.

Damit reduziert sich der Ansatz auf: \(f(x)= ax^4+cx^2+e\)

Spezialfall 2: Funktion mit Graph, der zum Ursprung punktsymmetrisch ist

Beispiel:

Gegeben sei die ganzrationale Funktion \(h\) mit der Definitionsmenge \(D_h=\IR\) hat den Grad \(5\).

Der Graph von \(h\) sei punktsymmetrisch zum Ursprung.

Verlockend ist zunächst der Ansatz: \(h(x)= ax^5+bx^4+cx^3+dx^2+ex+f\)

Aber…

Über ganzrationale Funktionen mit einem zum Ursprung punktsymmetrischem Graphen wissen wir folgendes:

Der Graph einer ganzrationalen Funktion \(h\) ist genau dann zum Ursprung punktsymmetrisch,
wenn in dem ausmultiplizierte Term \(h(x)\) nur Summanden mit ungeraden Hochzahlen bei den Potenzen mit \(x\) vorkommen.

Folglich muss \(b=0\), \(d=0\) und \(f=0\) sein.

Damit reduziert sich der Ansatz auf: \(h(x)= ax^5+cx^3+ex\)

Beispiele für Eigenschaften und die zugehörige Darstellung in mathematischer Form

Der Punkt \(P(2|5)\) liegt auf dem Graphen von \(f\).

Der Graph von \(f\) hat im Punkt \(H(-1|3)\) einen Hochpunkt.

\(f(-1)=3\)

\(\abl{f}(-1)=0\)

Der Graph von \(f\) hat im Punkt \(W(2|-4)\) einen Wendepunkt.

\(f(2)=-4\)

\(\abb{f}(2)=0\)

Der Punkt \(Q(0|5)\) ist ein Terrassenpunkt des Graphen von \(f\).

\(f(0)=5\)

\(\abl{f}(0)=0\)

\(\abb{f}(0)=0\)

Der Graph von \(f\) hat an der Stelle \(x=-4\) eine Tangente mit der Steigung \(-\tfrac{1}{2}\).

\(\abl{f}(-4)=-\tfrac{1}{2}\)

Der Graph von \(f\) hat im Punkt \(B(-1|2)\) eine Tangente mit der Steigung \(\tfrac{2}{3}\).

\(f(-1)=2\)

\(\abl{f}(-1)=\tfrac{2}{3}\)

Die Gerade \(g\) mit der Gleichung \(y=\tfrac{1}{3}x-1\) berührt den Graphen von \(f\) bei \(x=6\).

\(f(6)=1\),
da \(f(6)=g(6)\) und \(g(6)=\tfrac{1}{3}\cdot 6-1=1\)

\(\abl{f}(6)=\tfrac{1}{3}\)

Die Gerade \(h\) mit der Gleichung \(y=-2x+3\) ist Wendetangente des Graphen von \(f\) und berührt diesen bei \(x=0\).

\(f(0)=3\),
da \(f(0)=h(0)\) und \(h(0)=-2\cdot 0+3=3\)

\(\abl{f}(0)=-2\)

\(\abb{f}(0)=0\)

Der Graph von \(\abl{f}\) besitzt den Hochpunkt \(R\left(2\middle|-\tfrac{3}{4}\right)\).

\(\abl{f}(2)=-\tfrac{3}{4}\)

\(\abb{f}(2)=0\)

Zufällig generierte Steckbriefaufgaben mit Lösungsschritten

Anleitung:

1) Lesen Sie in dem nebenstehenden Geogebra-Applet die Steckbrief-Aufgabe durch.

2) Notieren Sie die Funktionsgleichung in allgemeiner Form (nutzen Sie dabei gegebenenfalls Informationen über Symmetrieeigenschaften). Überlegen Sie außerdem, ob auch die erste oder sogar die zweite Ableitung der Funktion benötigt wird, und notieren Sie auch diese gegebenenfalls.

  • Klicken Sie in der Angabe solange mehrmals nacheinander auf den Text „Gesucht wird…„, bis unten die allgemeinen Funktionsgleichungen für die Funktion und evtl. benötigte Ableitungen angezeigt werden.
  • Ein erneuter Klick auf den Text „Gesucht wird…“ sorgt dafür, dass die allgemeinen Funktionsgleichungen wieder ausgeblendet werden.

3) Versuchen Sie nun, alle aufgelisteten Eigenschaften der gesuchten Funktion durch geeignete lineare Gleichungen darzustellen (zuerst in Kurzform, dann als Gleichung mit ausgewerteten Termen).

  • Klicken Sie in der Angabe ein ERSTES MAL auf den Text einer der aufgelisteteten Eigenschaften:Daraufhin werden alle in der Eigenschaft enthaltenen Informationen in mathematischer Form
    mithilfe der Funktionsterme (und gegebenenfalls ihrer Ableitungen) dargestellt – aber noch ohne Zahlen einzusetzen.
  • Klicken Sie in der Angabe ein ZWEITES MAL auf den Text derselben Eigenschaft:Daraufhin werden die zuvor eingeblendeten Ansätze ausgewertet, d.h. die x-Werte werden in die jeweiligen Funktionsterme eingesetzt, so dass nun konkrete lineare Gleichungen entstehen.
  • Klicken Sie in der Angabe ein DRITTES MAL auf den Text derselben Eigenschaft:Daraufhin werden die neu eingeblendeten Gleichungen wieder ausgeblendet.

4) Ermitteln Sie die Lösung des Gleichungssystems und geben Sie schließlich den Term der gesuchten Funktion an.

  • Setzen Sie ein Häkchen bei „ Gl-System„:
    Dadurch wird das Gleichungssystem eingeblendet (zuvor eingeblendete Ansätze und Gleichungen werden automatisch ausgeblendet).
  • Nur wenn das Häkchen bei „ Gl-System“ gesetzt ist, erscheint die Möglichkeit, ein Häkchen bei „ Lsg“ zu setzen:
    Dadurch wird die Lösung des Gleichungssystems UND der gesuche Term angegeben.