2.7 Befruchtung und Weiterentwicklung der Eizelle
2.7.1 Befruchtung der Eizelle und weitere pränatale Entwicklung
Nach Befruchtung der weiblichen Eizelle durch ein Spermium des Mannes beginnt die Zellteilung zum Prä-Embryo. Ab der dritten Entwicklungswoche beginnt die Entwicklung der Organsysteme, die Ausbildung von Sinnesorgane beginnt und Längenwachstum der Extremitäten (Armen und Beine) findet statt. Der Organismus wird als Embryo bezeichnet. Die Fetalperiode setzt in der neunten Schwangerschaftswoche ein. Ab hier bis zur Geburt wird der Organismus nun als Fötus bezeichnet.

Belinda Flemming:pränatale Entwicklung nach der Befruchtung und der Einfluss von Zellgiften (z.B. Alkohol) auf verschiedene Organsysteme, CC BY-SA 3.0
Die pränatale und postnatale Kindesentwicklung kann an verschiedensten Stellen von Umweltbedingungn negativ oder positiv beeinflusst werden. Zu Umweltfaktoren mit negativem Einfluss zählen Alkohol, Zigaretten, andere Drogen, Stress und ungesunde Ernährung. Positiv wirkt vor allem eine gesunde und entspannte Lebenführung.
Abhängig von der Lebensweise von Mann und Frau können Spermien und Eier bereits vor der Befruchtung durch Gifte (Toxine) geschädigt worden sein. Unmittelbar nach der Befruchtung ist das Ei vor toxischen Einwirkungen geschützt. Ab dem Zeitpunkt der Implantation ist das Mehrzellstadium vom Organismus der Mutter abhängig. Da aber der Zeitpunkt der Einnistung schwer zu errechnen ist, sollen toxische Substanzen trotzdem vermieden werden.
Während des gesamten Zeitraums der pränatalen Entwicklung besteht die Gefahr, dass verschiedene Gifte oder andere Stoffe auf den Körper der Mutter einwirken. Da Embryo und Fötus an den Organismus der Mutter gekoppelt sind, haben Gifte unmittelbar Einfluss auf deren Entwicklung. In der Übersicht ist der Schweregrad der Auswirkungen des Zellgiftes Alkohol in verschiedenen Entwicklungsstadien dargestellt. Im Zeitraum von der dritten bis siebenten Schwangerschaftswoche führt der Konsum von Alkohol zu schweren morphologischen Anomalien (Gewebeveränderungen) vor allem im Zentralnervensystem, im Herz, in Augen und Ohren, bei Armen und Beinen, bei Zähnen, am Gaumen und der äußeren Genitalien. Vor allen in den ersten Stadien der Ausbildung der Organsysteme sind diese sensibel für die Wirkung von Giftstoffen und andere Wirkstoffe die auf die Organentwicklung Einfluss nehmen können. Ab der achten Woche der Entwicklung verursacht der Einfluss von Alkohol funktionelle Defekte und kleine morphologische Anomalien der Organsysteme.
2.7.2 Möglichkeiten einer genetischen Beratung
Eine vorbeugende Beratung hinsichtlich genetischer Risiken kann eine Hilfestellung für die Familienplanung darstellen.
Die Beratung ist sinnvoll, wenn
- ein Partner an einer Erbkrankheit leidet,
- in den Familien der Partner bestimmte Krankheiten gehäuft aufgetreten sind,
- gesunde Eltern ein Kind mit genetisch bedingter Behinderung haben,
- die Partner verwandt sind,
- vor oder während der Schwangerschaft schädliche Umwelteinflüsse wie z.B. Suchtmittel, Strahlung oder Virusinfektionen vorlagen,
- die werdende Mutter schon relativ alt ist (ca. 35 Jahre).
Zunächst kann der Stammbaum der Familie analysiert werden:
Wenn ein Kind mit einer autosomal-rezessiven Erbkrankheiten geboren wurde, beträgt die Wahrscheinlichkeit des Auftretens der Krankheit für die weiteren Kinder bei phänotypisch gesunden Eltern 25%. Bei einer autosomal-dominanten Erbkrankheit ist ein weiteres Kind mit 50%-iger Wahrscheinlichkeit betroffen, wenn ein Elternteil gesund und der andere heterozygot krank ist.
Außerdem kann pränatale Diagnostik durchgeführt werden:
- Blutuntersuchung bei der Mutter
- Fruchtwasserpunktion (Amniozentese): Durch die Bauchdecke hindurch wird Fruchtwasser (ca. 15 ml) mit fötalen Zellen entnommen. Diese werden kultiviert. Nach zwei Wochen steht eine Zellkultur für Untersuchungen zur Verfügung. Die Untersuchung ist ab der 14. bis zur 18. Schwangerschaftswoche möglich. In ca. 1% der Fälle kann diese Untersuchung zu einer Fehlgeburt führen.
- Chorionzottenpunktion: Hierbei wir aus der Plazenta Material mit fötalen Zellen entnommen. Da in diesem Material viele Teilungen stattfinden, ist die sofortige Erstellung eines Karyogrammes möglich. Die Untersuchung kann ab der 9. Woche durchgeführt werden, allerdings führt sie relativ häufig zu einem Abgang.
- Nabelschnurpunktion: Aus der Nabelschnur kann fötales Blut entnommen werden. Dies ist ab der 19. Woche möglich. Auch hier besteht das Risiko einer Fehlgeburt.
Unter anderem können folgende Untersuchungen durchgeführt werden:
- Chromosomenanalyse (Anlegen eines Karyogrammes): Die Erkennung von Trisomie 21 und ähnlichen Defekten ist möglich.
- DNA-Diagnostik (Genetischer Fingerabdruck): Viele Gendefekte sind mittlerweile direkt anhand der veränderten Basensequenz zu diagnostizieren (siehe unten).
- Biochemische Tests: Hiermit ist die Erkennung vieler Stoffwechseldefekte über bestimmte chemische Stoffe im Blut oder im Fruchtwasser möglich. Bei einer veränderten Konzentration des sog. Alphafetoproteins kann auf Missbildungen des Neuralrohres (Spina bifida) geschlossen werden.
Die Eltern entscheiden nach der pränatalen Diagnostik über einen eventuellen Schwangerschaftsabbruch.
2.7.3 Gendiagnostik beim Menschen
Wenn andere Methoden zur Diagnostik von Infektionskrankheiten ungenau oder nicht möglich sind, kann inzwischen in vielen Fällen der Nachweis direkt über das Erbgut der Erreger stattfinden. Machbar ist dies z.B. bei HIV, Hepatitis-B-Viren, Herpes-Viren oder Papilloma-Viren. Mit Hilfe von DNA-Diagnostik erhofft man sich auch weitere Erfolge bei der Früherkennung von Tumoren.
Im Vorfeld von Gewebetransplantationen kann die DNA-Diagnostik ebenfalls helfen. Dabei wird geprüft, ob bei einem Patienten kritische Faktoren, die in diesem Fall eine Abstoßung hervorrufen würden, vorhanden sind oder nicht.
Bei der Diagnose von Erbkrankheiten über DNA-Sequenzen werden immer mehr Fortschritte gemacht. Daraus ergibt sich aber eine neue Problematik: Ist es sinnvoll, über alle möglichen zukünftigen Erkrankungen und genetischen Veranlagungen Bescheid zu wissen, obwohl in vielen Fällen keine Therapiemöglichkeit besteht? Besondere Bedeutung hat diese Frage natürlich bei der Pränataldiagnostik.
Ethisch nicht vertretbar sind mögliche genetische Untersuchungen vor Abschluss einer Versicherung oder im Rahmen von Einstellungsuntersuchungen.