Die Motivanalyse
Lesen Sie zunächst den folgenden Text aufmerksam durch.





1. Die Aufgabenstellung
Die Motivanalyse kann in den Bereichen Epik oder Dramatik Teil der Abschlussprüfung sein. Hierbei ist erforderlich, ein zentrales Thema im Text herauszuarbeiten und anhand von Belegstellen zu analysieren. Der Operator in der Aufgabenstellung ist dabei „Zeigen Sie auf …“. Die Vorgehensweise kann man analog zu der in einer Charakterisierung strukturieren. Stellen Sie also Thesen (Deutungshypothese -> Unterthesen) auf, die Sie im Folgenden in eigenen Worten erklären und mit passenden Zitatstellen am Text belegen.
Die Motivanalyse (bzw. der Motivvergleich) als Aufgabenform im Fachabitur, wird sehr häufig als B-Aufgabe gestellt. Will man die Bereiche Epik oder Dramatik bearbeiten, muss man diese Aufgabe beherrschen, denn eine Alternativ-Aufgabe im Bereich gestaltendes Schreiben wird nur selten gestellt, sodass man Motivanalyse bzw. -vergleich kaum aus dem Weg gehen kann.
Im Falle eines Motivvergleichs muss die Gestaltung eines Motivs in verschiedenen Texten gegenübergestellt werden.
Vergleichstexte werden in Form von Zusatzmaterial zur Verfügung gestellt. Bei speziellen Motiven oder Themen, die man in einem bestimmten literarischen Kontext verstehen muss, ist es – wie bei allen Aufgaben der FAP – des Öfteren der Fall, dass neben dem Text weitere Zusatzmatzerialien bereitgestellt werden, die als Hilfsmittel fungieren.
2. Was ist ein Motiv?
Will man den Begriff des literarischen Motivs definieren, so findet man beispielsweise bei Wikipedia die Erklärung, es sei ein zentraler „erzählerischer Baustein“ eines Textes. Hier muss man sich eine Komponente vorstellen, die elementar und strukturgebend für den jewiligen literarischen Stoff wirkt. Oft sind diese Handlungselemente intertextuell und werden in einem Text verarbeitet und später erneut in anderen Texten wieder aufgegriffen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Motiv_(Literatur)
Für die Aufgabenform der Motivanalyse ist es völlig ausreichend, den Begriff Motiv als ein zentrales Thema eines Textes zu verstehen. Die Begriffe Motivanalyse und Themenanalyse sind somit weitgehend austauschbar und werden auch in den folgenden Abschnitten nebeneinander verwendet. Da der Begriff somit in dieser Aufgabenform recht weit gefasst wird, sind auch die möglichen Motive in einem Text so vielfältig, wie das wovon Texte handeln können.
So sind die zu bearbeitenden Motive oft recht allgemeine Gefühle oder abstrakte Ideen, die es dann am jeweiligen Text zu untersuchen und zu konkretisieren gilt. Motive können durch einen konkreten oder abstrakten Ort verkörpert werden, oder die Umstände der jeweiligen literarischen Welt setzen die Figuren dem Motiv aus.
Zum Beispiel: Liebe, Hass, Alter, Jugend, Schönheit, Armut, Glaube, Vernunft, Wahrheit, Täuschung, Heimat, Fremdheit, usw.
Motive können aber auch – besonders in längeren Texten – spezieller ausgestaltet sein.
Zum Beispiel: Der American Dream, die Midlife-Crisis, Extremsituationen, usw.
Andere Aufgabenformen verorten das Motiv in einer bestimmten Figur oder einem Figurentyp. Hier kann es somit sehr wichtig sein, in der Charakterisierung der A-Aufgabe zuvor sorgfältig bearbeitet zu haben, da die Ergebnisse von dort wieder aufgegriffen werden müssen.
Zum Beispiel: Die Famme Fatale, die böse Schwiegermutter, der tragische Held, der Super-Bösewicht, das Genie, usw.
3. Welche Vorgehensweise ist zu empfehlen?
Prinzipiell ist es empfehlenswert, den Aufsatz in seiner Grundstruktur analog zur Bearbeitung einer Charakterisierung zu gestalten.
Gehen Sie also so vor, wie es im Fach Deutsch bei den meisten Aufsatzformen empfehlenswert ist:
Stellen Sie Thesen auf, die Sie erläutern und mithilfe geeigneter Textstellen an Zitaten belegen und in eigenen Worten erklären.
Ein Gliederungsschema für einen Motivanalyse-Aufsatz kann man sich folglich so vorstellen:
1. Hinführung:
2. Hauptteil: 1. These zum Motiv
2. These zum Motiv
3. These zum Motiv
3. Schluss:
|
4. Wie findet man geeignete Thesen?
Mehrere für eine Textanalyse ergiebige Thesen zum jeweiligen Motiv zu bilden ist der schwierigste Teil der Motivanalyse und vielleicht das, was sie zu einer der anspruchsvollsten FAP-Aufgaben macht. Zwar sind Thesen auch der Ausgangspunkt für eine Charakterisierung, dort sind diese aber im Grunde schon vorgegeben, man muss nur die Eigenschaft vom Verhalten einer Figur im Text ableiten, sie korrekt benennen und in das Muster „Figur X weist Eigenschaft Y auf“ einsetzen.
Bei der Motivanalyse fallen die Thesen komplexer aus, denn die Ausgestaltung eines Themas im Text zu beschreiben ist anspruchsvoller. Oft kann man sich mit einigen Leitfragen helfen, die man nach dem vertieften Lesen des Textes abarbeitet. Das es jedoch so viele verschiedene Themen gibt, die Texte behandeln und die somit Schwerpunkte der Aufgabe sein können, sind nicht alle Leitfragen für jede Art von Motiv geeignet.
Die folgenden Fragen können bei der Thesensuche hilfreich sein. Klappen Sie die weiteren Erklärungen zu den Fragen aber erst auf, nachdem Sie die Aufgabe im nächsten Abschnitt bearbeitet haben, oder wenn Sie eine weitere Hilfestellung benötigen. Hier sind bereits einige Hinweise zu möglichen Thesen enthalten.
Aufgabe zum Thesenbilden
Analysieren Sie, wie das Thema Armut im vorliegenden Auszug aus der Erzählung „Der Walker-Brothers-Cowboy“ dargestellt wird.
Überlegen Sie im Lichte der Leitfragen aus dem vorigen Teil, wie die Geschichte in Bezug auf das Motiv (hier Armut) funktioniert.
Versuchen Sie 3-5 Thesen zum Motiv auszuformulieren (jeweils in Form eines Aussagesatzes).
Gleich Sie danach ihre Thesen mit den Lösungsvorschlägen ab:
5. Die Deutungshypothese
Wie bei der Charakterisierungsaufgabe sollte man das Formulieren einer Deutungshypothese anstreben, in der man versucht, die einzelnen Arbeitshypothesen abstrahiert zu einem Gesamtergebnis zusammenzufassen. Manchmal sind die Unterthesen dabei zu unterschiedlich, um alle unter einen Hut zu bekommen, aber dann genügt es auch, nur einen Teil der Unterthesen in der Deutungshypothese abzubilden.
Auch wenn man sie im Aufbau des Aufsatzes den Unterthesen voranstellt, ist es in der Regel einfacher, die Deutungshypothese erst später im Arbeitsprozess zu bilden, weil man sich dann schon intensiv mit dem Text auseinandergesetzt, Unterthesen gebildet und Textbelege analysiert hat. Lassen Sie anfangs also immer etwas Platz, um eine Deutungshypothese für den gesamten Aufsatz gegegenfalls später einzufügen.
Aufgabe zur Deutungshypothese
6. Einleitung und Schluss des Aufsatzes
Da es sich bei der Motivanalyse bzw. dem Vergleich um die B-Aufgabe der Fachabiturprüfung handelt, sind zu diesem Zeitpunkt bereits einige Arbeitsschritte fertig und es liegen Ergebnisse vor, die man in einer Einleitung gegebenenfalls kurz aufgreifen kann. So hat man sich bereits in Teil A vertieft mit dem Textinhalt auseinandergesetzt und zusammengefasst. Außerdem stand in der Regel schon eine Figur im Fokus und wurde charakterisiert. Einerseits sollte man Hinführung und Schluss hier nun knapp halten, denn oft bleibt für die B-Aufgabe in der Prüfungssituation nicht mehr so viel Zeit, wie man gerne hätte. Der Schwerpunkt der Bearbeitung und natürlich auch der Bewertung liegt im Kern der Aufgabe bei den Thesen zum Motiv. Trotzdem ist ein guter oder sehr guter Aufsatz sofort als solcher erkennbar, weil er eine in sich geschlossene Struktur aus Einleitung, Hauptteil und Schluss aufweist.
Als Einleitung für eine Motiv-Aufgabe gibt es unterschiedliche sinnvolle Varianten, die vor allem vom jeweiligen Motiv und der Aufgabenstellung abhängig sind.
1. Hinführung über eine Definition des Motivs
Solange das Motiv nicht zu abstrakt ist und man etwas über den Begriff weiß, ist ein Definitionsansatz zur Hinführung immer sinnvoll. So könnte man zum vorliegenden Textbeispiel den Begriff Armut kurz abstrakt anhand von materiellen Faktoren oder sozialem Stand definieren. Wenn Zusatzmaterial zur Verfügung gestellt wird (zu diesem Thema wären verschiedene wissenschaftliche Armutsbegriffe denkbar), bietet es sich ebenfalls schon in der Hinführung an, dieses Hilfsmittel zu nutzen in dort einzubauen.
2. Hinführung über den Textinhalt
Im vorliegenden Beispiel lässt sich eine kurze Hinführung auch entlang des Inhalts gestalten. Hier lässt sich z.B. kurz das Abrutschen der Familie in die Armut skizzieren. Der Schwerpunkt sollte dabei auf dem Kontext (Weltwirtschaftskrise der 20er Jahre) und der Veränderung für die Familie, die zwar auch zuvor nicht besonders wohlhabend war, nun aber aus einem besseren Viertel in ein schlechteres ziehen muss, liegen. Relevant ist hier auch der besonders schlecht angesehene Beruf des Hausierers, den der Vater jetzt notgedrungen ergreifen muss.
3. Der Schluss
Für den Schluss des Aufsatzes bietet sich immer ein Rückbezug auf die Deutungshypothese an. Diese kann man nochmals entlang der verschiedenen Unterthesen am Kontext der Geschichte erklären. Im konkreten Beispiel lässt sich der unterschiedliche Umgang mit Armut speziell auf die Familiensituation beziehen und es bietet sich in der Folge an, diesen zu bewerten. So könnte es produktiv sein, den generell positiven Ansatz des Vaters, der jedoch auch etwas naiv wirkt, mit der problematischen Bewältigungsstrategie der Mutter gegenüberzustellen und Folgen für die Familie insgesamt – aber auch die Kinder im Besonderen – zu skizzieren.
7. Wie unterscheidet sich der Motivvergleich von der Motivanalyse? Was ist zu beachten?
Beim Motivvergleich muss das Motiv in verschiedenen Texten gegenübergestellt werden. Hier wird erwartet, dass Vergleichspunkte gebildet werden, um anhand von Textbelegen Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten.
In der Prüfung bedeutet dies mehr Leseaufwand, da noch ein zweiter Text gelesen werden muss, um die Ausgestaltung zu vergleichen. Allerdings ist der anspruchsvollste Teil der Aufgabenform bei dieser Variante einfacher: Das Bilden der Thesen. Während man bei der Motivanalyse den Schwerpunkt zum Thema, den man anhand der Textbelege analysieren will, selbst finden und in der These festlegen muss, kann man beim Motivvergleich zielgerichtet nach Gemeinsamkeiten bzw. Unterschieden zum Thema suchen, die aufgrund des Vergleichs deutlicher ins Auge springen.
Insgesamt sollten Sie – wie bei der Motivanalyse – mindestens 3-4 Thesen im Hauptteil ausarbeiten: Also mindestens 1-2 Gemeinsamkeiten und 1-2 Unterschiede.
Das Gliederungsschema für den Motivvergleich ist dem der Motivanalyse somit sehr ähnlich. Die Thesen lassen sich aber bereits – bis auf den konkreten Vergleichsaspekt vorformulieren:
1. Hinführung:
2. Hauptteil: 1. These: Beide Texte teilen Gemeinsamkeit X
2. Beide Texte unterscheiden sich in Aspekt Y
3. Beide Texte unterscheiden sich in Aspekt Z
3. Schluss:
|
Aufgabe zum gesamten Aufsatz
Zeigen Sie auf, wie das Thema Armut im vorliegenden Textauszug dargestellt wird.
Formulieren Sie dazu eine kurze Hinführung, arbeiten Sie mindestens drei Thesen vollständig aus und ziehen Sie am Ende ein Fazit.
Reichen Sie ihren Übungsaufsatz am besten bei Ihrer Deutschlehrkraft ein.
Wenn Sie noch eine Orientierungshilfe benötigen, finden Sie eine ausführliche Teillösung zu einer These unten zum Aufklappen.