Der Umgang mit Karikaturen

Historische Karikaturen sind überzeichnete Darstellungen von Menschen oder gesellschaftlichen Zuständen. Meist haben sie einen politischen und propagandistischen Hintergrund. Hier lernen Sie an einem Beispiel, wie sie eine Karikatur analysieren können.

Methode: Karikaturen analysieren

Beschreiben Sie die Karikatur möglichst detailliert. Benennen Sie die Elemente, die zu sehen sind  (Personen oder Tiere, Gebäude, Gegenstände oder Symbole). Falls die Karikatur eine bestimmte Situation oder Handlung zum Ausdruck bringt, versuchen Sie sie mit eigenen Worten zu beschreiben. Finden Sie für die Beschreibung geeignete Adjektive.

Fragen an die Quelle:

  • Wie ist der Bildaufbau gestaltet? (Vordergrund, Hintergrund, Perspektive)
  • Welche Situation wird dargestellt, welches Problem wird visualisiert?
  • Welche Figuren, welche Nationalitäten werden abgebildet?
  • Welche Symbolik und Metaphorik haben einzelne zeichnerische Elemente? (Personifikationen auflösen, Symbole deuten, Mensch-Tier-Vergleiche auf
  • Welche Informationen bietet die Über- oder Unterschrift, welche Bedeutung hat sie?
  • Welche Gesamtaussage lässt sich der Karikatur abgewinnen?

Bisher haben Sie sich nur mit der Karikatur selbst beschäftigt. Jetzt sollen Sie noch die historischen Hintergründe erklären, die wichtig sind, um das Motiv, die Botschaft und die vom Karikaturisten eingenommene Perspektive zu beurteilen. Während uns dies heute bei tagespolitischen Ereignissen oft schnell gelingt, müssen Karikaturen aus anderen Epochen mithilfe von Darstellungstexten und Handbüchern in den historischen Kontext eingebunden werden.

Fragen an die Quelle:

  • Auf welche historische Situation, auf welches Ereignis bezieht sich die Karikatur?
  • Welche politischen, sozialen, wirtschaftlichen oder kulturellen Zusammenhänge und Hintergründe werden angesprochen, die gekannt sein müssen, um die Karikatur zu verstehen? (Einbettung in den Kontext)
  • Was sagt die Karikatur über dieses Ereignis/diese Situation aus?

Um die Karikatur beurteilen zu können, ist es wichtig, eine Fragestellung zu formulieren. Diese Fragestellung ergibt sich aus den Bezügen der eben erfolgten historischen Einordnung.

Aufgrund dieser Erkenntnisse, stellt sich die Frage …

Durch diese Fragestellung kann nun eine Beurteilung der Karikatur vorgenommen werden. Begründen Sie ihr Urteil ausführlich.

Fragen an die Quelle:

Sachurteil

  • Wirkt die Karikatur witzig, boshaft, komisch, beleidigend? Ist sie demagogisch oder seriös?
  • Sind die darstellerischen Mittel (etwa: Elemente der Verzerrung, Symbolik, Metaphorik, Farbgebung, räumliche Bildgestaltung) geeignet, die Ziele zu erreichen? Passen Bild und Text zusammen? Ist letzterer treffsicher?

Werturteil

  • Ist die Karikatur überzeugend?
  • Sind die Urteile des Zeichners richtig? Welche Verknüpfungen sind untertrieben/übertrieben?

Der dritte Stand

Aufgaben:

1. Führen Sie eine Quellenanalyse zur Karikatur Der dritte Stand durch.

2. Die Informationen der roten und gelben Punkte geben Ihnen Hilfestellungen zu verschiedenen Details und Übersetzungen. Achten Sie bei einer Karikatur besonders auf die verschiedenen Symbole. Wen sollen die Personen darstellen?

Tipp: Das Video Französische Revolution? gibt Ihnen einen kurzen Überblick und erklärt die Hintergründe zur Karikatur. Es dauert 7 Minuten.

Im 18. Jahrhundert waren viele Menschen in Frankreich unzufrieden und ein gesellschaftlicher Konflikt spitzte sich immer weiter zu. Um welchen Konflikt ging es? Um diese Frage zu beantworten, sollen Sie folgendes Flugblatt aus dem Jahr 1789 untersuchen. Flugblätter waren zur Zeit der Französischen Revolution ein wichtiges Massenmedium, um gesellschaftliche Verhältnisse zu kritisieren. Viele Menschen konnten weder lesen noch schreiben, die Bildsprache der Karikatur aber konnten sie verstehen. Fahren Sie mit der Maus über das Bild und lesen Sie die Informationen über Bilddetails (rote Punkte) und die dargestellten Personen (gelbe Punkte) genau durch.

Aufgaben:

1 Beschreiben Sie die Karikatur nach dem vorgegebenen Schema.

Karikatur Hanns Erich Köhler

Karikatur von Hanns Erich Köhler, 1949 – Beispiel einer personal-typisierenden Prozesskarikatur.

Lösungen

1945 stehen sich zwei abgemagerte und zerlumpte (Not) Michel (Attribut Zipfel- bzw. Schlafmütze) gegenüber. Ihre Tabakpfeifen (Gemütlichkeit, Genuss) haben sie in die Taschen ihrer geflickten Jacken (Not) gesteckt. Beide haben die Arme weit nach vorne gestreckt, doch sie können sich nicht errechen, da sie durch eine kleine, stacheldrahtbewehrte Mauer (Westzonen/SBZ) voneinander getrennt sind. Einstimmig rufen sie einander zu „Bruder!!“. In ihren vom Hunger ausgezehrten (Not) Gesichtern steht die Verzweiflung.

1955 können sich die beiden Michel, die inzwischen etwas gesetzter und wohlgenährter sind, sich nicht mehr sehen, da die stacheldrahtbewehrte Mauer inzwischen ihnen erheblich gewachsen und massiver geworden ist (1949 Staatsgründungen BRD/DDR). Sie sitzen, jeweils auf ihrer Seite, an einem Schreibtisch und sind im Begriff an den jeweils anderen einen Brief zu schreiben, der mit der Zeile „Mein lieber Vetter!“ beginnt. Die beiden Männer sind inzwischen auch besser gekleidet, rauchen wieder Pfeife und bringen durch die Gestaltung ihrer Zipfelmützen ihre politische Zugehörigkeit („Stars and Stripes“ im Demokratie/Kapitalismus und Hammer und Sichel im Osten – Sozialismus-Kommunismus/Planwirtschaft) zum Ausdruck. Die unterschiedlich Ausstattung ihrer Schreibzimmer weist auf die Unterschiedlichkeit der Versorgungslage hin.

1965 ist die Mauer zwischen den beiden Männer, die nun kaum noch als deutsche Michel wiederzuerkennen sind, noch dicker und höher geworden. Sie reicht bis an den oberen Bildrand des dritten Bildes. Die beiden älteren wohlbeleibten Männer haben es sich in ihren Sesseln, die mit dem Rücken zur Mauer stehen, bequem gemacht. Das Rauchen heben beide nicht aufgegeben – im Westen ist es inzwischen eine Zigarre, im Osten wird immer noch Pfeife geraucht. Inzwischen sind die beiden Männer Großväter und berichten ihren Enkeln. „Ach, ja – Wir haben irgendeinen entfernten Verwandten im Ausland.“

Das Mauermotiv in Köhlers Karikatur ist – auf ihre Entstehungszeit gesehen – ein bemerkenswertes zeitgeschichtliches Dokument. Der Karikaturist hat mit diesem gezeichneten Kommentar zur deutschen Nachkriegszeit und zweifachen Staatsgründung eine erstaunliche politische Weitsicht bewiesen.

Quelle: https://www.maik-hager.de/geschichte/karikaturen.html

Der dritte Stand | Karikatur: Auszug aus den Lernmodulen von  segu Geschichte, CC BY SA 4.0