Der Umgang mit Text-Quellen
Die Analyse von Texten als historischer Quelle umfasst viel mehr als nur die Entnahme von Informationen. Texte wurden von Personen erfasst, die eine bestimmte Sichtweise, bestimmte Werte und bestimmte Interessen haben (Bzw. von KI, die sich aus Texten von solchen Personen speist). Das macht die Arbeit an Texten komplizierter, aber auch wesentlich interessanter. Als Einstieg können Ihnen die folgenden Aspekte dienen, gegliedert nach der Frage: WER hat WAS, WANN und WIE WEM geschrieben?
Wie bereits diese ersten Fragen gezeigt haben, ist Sprache viel mehr als nur ein Mittel der Information. Mit Sprache lassen sich Stimmungen und Wertungen vermitteln, mit denen man Sachverhalte in ein bestimmtes Licht rücken kann. Eigene Wertungen und Interessen können damit verfolgt werden, ohne dass dies am dargstellten Sachverhalt etwas ändert. Mit diesen sprachlichen Strategien befasst sich die Rhetorik, in der heutigen Publizistik spricht man auch von Framing, dem „Einrahmen“ von Informationen durch Sprache. Im Folgenden wollen wir uns auf drei klassische Ziele rhetorischer Strategien konzentrieren: Aufwertung, Abwertung und Beschwichtigung.
Aufgabe:
Analysieren Sie nun den folgenden Ausschnitt einer historischen Rede nach den beschriebenen Kriterien: Bestimmen Sie Strategien der Aufwertung, Abwertung und Beschwichtigung und ordnen Sie diese in den historischen Kontext der Rede ein.
Walter Ulbricht, Rede zum Bau der Berliner Mauer (1961) Meine lieben Bürger der Deutschen Demokratischen Republik und liebe Freunde in Westdeutschland und Westberlin!
Ereignisreiche Tage liegen hinter uns. Hier und da gingen die Wogen etwas hoch. Sie glätten sich allmählich. Die von Schöneberg und Bonn künstlich geschürte Aufregung ist abgeebbt. Natürlich müssen wir weiterhin wachsam sein. Aber das Leben geht seinen ruhigen Gang. Sie erwarten mit. Recht, daß ich als Vorsitzender des Staatsrates der DDR einiges zu den Geschehnissen und zu der neuen Situation sage. […] Wir haben – so glaube ich -, einen wichtigen Beitrag zum Frieden geleistet, indem wir die Grenzen der DDR gegenüber Westberlin und gegenüber Westdeutschland gesichert haben. Wir haben uns bei unseren Maßnahmen an die Vereinbarungen mit der SU und mit den anderen Staaten des Warschauer Vertrages gehalten, die uns verpflichten, die Grenzen unseres Staates wirksam zu schützen und unter Kontrolle zu halten.
Kriegsminister Strauß beschleunigte die atomare Ausrüstung der unter dem Befehl von Hitlergeneralen stehenden Bonner NATO-Armee. Er erklärte in frechem Übermut, der Zweite Weltkrieg sei noch nicht beendet. Er knüpfte direkt an die abenteuerlichen Pläne Hitlers und Himmlers an. […]
Wir hatten rechtzeitig die Kriegsvorbereitungen der Bonner Regierung entlarvt. [. ..]
Ich muß schon sagen: Die Herren Adenauer und Strauß und ihre Hitlergenerale und Helfershelfer von Globke und Lemmer bis zu Brandt haben bei ihrem Versuch, die Deutsche Demokratische Republik aufzurollen, keinen besonderen Einfallsreichtum bewiesen. Es gibt ja schließlich genügend Leute, die sich noch genau daran erinnern, wie Hitler seinen Überfall auf die Tschechoslowakei und dann auf Polen vorbereitet hat.
Vertiefungsaufgabe:
Vergleichen Sie die Wirkung der Rede im eben gelesenen Text mit der Wirkung in der Fernsehansprache unten: Welche Unterschiede in der Wirkung würden Sie vermuten?