Komplexe technische Systeme – physikalische Grundlagen I

Vorbemerkung

In Kohlekraftwerken, wie bei der Verbrennung überhaupt, setzt man Energie aus den Elektronenhüllen von Atomen oder Molekülen frei, sog. chemische Energie. Bei der Nutzung von Kernenergie wird hingegen Energie aus den Atomkernen verfügbar gemacht. Es handelt sich demzufolge um eine völlig andere Art, Energie zu gewinnen.

Atommodelle

Das atomare Geschehen erschließt sich die Wissenschaft mit Hilfe von Modellvorstellungen, welche die nicht direkt zugängliche Realität mehr oder weniger genau beschreiben. Im Laufe der Entwicklung der Atom- und Kernphysik sind immer genauere Modelle entwickelt worden. Zum Verständnis der Kernenergie genügt das im Folgenden dargestellte Modell.

Demzufolge besteht ein Atom aus einem Kern, der von einer bestimmten Anzahl von Elektronen umkreist wird. Den Aufenthaltsort der Elektronen nennt man die Hülle des Atoms. Jedes dieser Hüllelektronen trägt eine negative Elementarladung e = -1,6 · 10-19 C (Coulomb). Der Kern setzt sich aus den positiv geladenen Protonen, von denen jedes eine positive Elementarladung trägt, und den elektrisch neutralen Neutronen zusammen. Protonen und Neutronen, die Kernbausteine, erhalten als Oberbegriff den Namen Nukleonen und der Atomkern wird auch als Nuklid bezeichnet. Da ein Atom im Normalzustand genauso viele positiv geladene Protonen besitzt wie in der Atomhülle negativ geladene Elektronen kreisen, ist ein Atom nach außen elektrisch neutral.

Der Atomkern hat im Vergleich zum gesamten Atom sehr geringe Abmessungen; der Atomdurchmesser beträgt etwa das 104-fache des Kerndurchmessers. Zum Vergleich: Wenn der Kerndurchmesser 1 cm betrüge, dann hätte das gesamte Atom einen Durchmesser von 100 m. Außerdem ist fast die gesamte Masse eines Atoms im Kern konzentriert, da ein Nukleon eine um den Faktor 1840 größere Masse besitzt als ein Elektron.

Ein Atom besteht demnach aus einer vergleichsweise sehr großen, negativ geladenen, aber überwiegend leeren Atomhülle und aus dem winzigen, positiv geladenen Kern, der fast die gesamte Masse des Atoms enthält.

Man führt noch die Kernladungszahl Z ein, das ist die Anzahl der Protonen, die ein Kern enthält. Mit N bezeichnet man die Anzahl der Neutronen und mit A (Massenzahl) die Anzahl der Nukleonen insgesamt, so dass gilt:

A = Z + N

Da beim Atom die Zahl der Protonen gleich der Zahl der Hüllelektronen ist, ist die Kernladungszahl Z identisch mit der Ordnungszahl des betreffenden chemischen Elements im Periodensystem der Elemente (PSE). Die Kernladungszahl und die Massenzahl dienen zur symbolischen Darstellung von Kernen:

A: Massenzahl
Z: Kernladungszahl
X: Chemisches Elementsymbol (z.B. He für das Element Helium)

In dieser Schreibweise ist die Kernladungszahl eigentlich überflüssig, weil sich aus dem Elementsymbol mit Hilfe des PSE die Ordnungszahl und damit auch die Kernladungszahl ergibt. Daher genügen eigentlich die Angaben

AX  oder X A

zur eindeutigen Kennzeichnung eines Kerns.

Der Atomkern des Wasserstoffs besteht aus einem Proton:
Der Heliumkern besitzt 2 Protonen und 2 Neutronen:
Ein Urankern mit 235 Nukleonen hat die Bezeichnungen:
Für Elektron (e), Proton (p) und Neutron (n) schreibt man:

Isotope 

Atome mit gleicher Kernladungszahl aber unterschiedlicher Massenzahl nennt man Isotope.

Da Isotope die gleiche Protonenzahl und nur eine unterschiedliche Neutronenzahl besitzen, haben sie dasselbe chemische Elementsymbol.

Das Element Wasserstoff kommt in der Natur in drei Isotopen vor:
a) (Normaler) Wasserstoff (zu über 99,9% in natürlichem Wasserstoff enthalten):
b) Schwerer Wasserstoff, auch Deuterium genannt:
c) Überschwerer Wasserstoff oder Tritium:
Auch das Element Uran hat verschiedene Isotope, von denen zwei für die Kernenergie besonders wichtig sind:
a) Nicht spaltbares U 238 ist zu 99,3% in Natururan enthalten.
b) Spaltbares U 235 kommt nur mit einem Anteil von 0,7% im natürlichen Uran vor.