Globalisierung und die Folgen: Land Grabbing

Die weltweite Jagd nach Land

Die Weltbevölkerung wächst unaufhaltsam, Ende 2011 lebten  auf der Erde mehr als 7 Milliarden Menschen. Die Konflikte um die Landnutzung und  um ökologische Belastungen und den Klimawandel und dessen Folgen nehmen zu. Landwirtschaftlicher Boden wird immer mehr zu einem knappen Gut und das ökonomische Interesse Land zu erwerben und zu nutzen nimmt weltweit zu. Zu diesen Staaten zählen China, Indien, Südkorea, Japan und Saudi Arabien.

Der Preisanstieg für Nahrungs-mittel auf dem Weltmarkt in den Jahren 2005 bis 2008 und dann wieder 2011 hat den Prozess der Landnahme deutlich beschleunigt. Im Zuge der ansteigenden Weltmarktpreise auf Agrarprodukte stiegen auch die Preise für Boden in den rasch wachsenden Schwellenländern und in der industrialisierten Welt. Dies machte das billigere Land in den Entwicklungsländern für Investoren zunehmend attraktiv.

In dem Zusammenhang ist „Land Grabbing“ – wie es englisch genannt wird – zu sehen. Der Boden als Produktionsfaktor wird für kapitalstarke Unternehmen und Staaten interessant. Anhaltendes Bevölkerungswachstum machen ein Investment in die Landwirtschaft bzw. Nahrungsmittelproduktion attraktiv. Der Appetit ausländischer Investoren auf Agrarland in Entwicklungsländern nimmt in den letzten 10 Jahren immer bedrohlichere Ausmaße an. Seit dem Jahr 2000 ist der Umfang der Landtransaktionen auf bis zu 200 Millionen Hektar gestiegen – das entspricht der achtfachen Fläche Großbritanniens. Das Problem ist mittlerweile so gravierend, dass die UNO-Organisation FAO (Weltagrarorganisation) den Ausverkauf durch freiwillige  Regeln stoppen will.
Urbanisierung und fortschreitende Flächenversiegelung, Klimawandel, Desertifikation und großflächige Erosionen sorgen für eine weitere Verknappung von landwirtschaftlich nutzbaren Flächen und erhöhen die Nachfrage und den Preis des Bodens weltweit.

Die Explosion der Nahrungsmittelpreise führte in den letzten Jahren dazu, dass vom Nahrungsmittelimport abhängige Staaten befürchteten, ihren steigenden Nahrungsmittelbedarf nicht mehr auf dem Weltmarkt abdecken zu können.
Zu diesen Staaten zählen China, Indien, Südkorea, Japan und Saudi Arabien. Die Bevölkerung dieser Staaten wächst stark, während ihre nutzbare Ackerfläche begrenzt ist. Eine zunehmende Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten ist die Folge. Vor diesem Hintergrund kaufen oder pachten staatliche und halbstaatliche Firmen mit Unterstützung der Regierungen große Ackerflächen weltweit. Die darauf angebauten Produkte sind fast ausschließlich für den Export bestimmt. Das heißt, sie werden in die Staaten der Investoren importiert und dienen so weitgehend der Ernährungssicherheit dieser Staaten.

Beispiele für diese „Landnahme“ finden sich in allen fruchtbaren Teilen insbesondere der Dritten Welt.

Eine indische Firma, Karuturi Global Limited (Eigenwerbung: „world leader in production of cut roses“), nimmt z.B. in Äthiopien in großem Umfang fruchtbare Böden in Besitz. Auf einer Farm im Hochland von Äthiopien  werden 11740 Hektar mit modernster landwirtschaftlicher Technik bewirtschaftet. Insgesamt hat die Firma 311000 Hektar vom äthiopischen Staat gepachtet. Es sollen dort Reis, Gerste, Mais, Zuckerrohr und Gemüse und Rohstoffe für Biosprit wachsen. Das indische Unternehmen hat seinen Sitz in der indischen Computer-Metropole Bangalore: ‚Wir haben Agrobusiness als unseren nächsten großen Wachstumsbereich identifiziert‘, heißt es auf der Website der Inder. ‚Wir haben in Äthiopien mit dem landwirtschaftlichen Anbau im Mega-Ausmaß begonnen, um ein Schlüsselspieler auf dem globalen Markt der Agro-Produkte zu werden.‘ Überall in Afrika hat ein Wettlauf solcher Unternehmen um Land begonnen. Modernste Agro-Industrie steht   also heute in Äthiopien einheimischen Bauern gegenüber, die ihre Äcker wie vor Jahrhunderten mit Holzpflug und Ochsengespann bearbeiten.

Die Chancen und Risiken dieser Entwicklung sind heftig umstritten. Ausländische Investoren sind einerseits willkommen in Afrika, weil es häufig an Kapital mangelt. Andererseits sind große Konflikte absehbar, manche befürchten schon den Beginn einer neokolonialen Ära, in der Afrika ein weiteres Mal zwischen den großen Mächten aufgeteilt wird.  Nun sind es Großinvestoren und Spekulanten, die am grünen Tisch neue Grenzen ziehen. Manche sprechen bereits von ‚Agro-Imperialismus‘. Viele der Investoren kommen aus Asien und Arabien. Nach einer Studie des Oakland Institutes pachteten oder erwarben Firmen allein im Jahre 2009 fast 60 Millionen Hektar Land in den Entwicklungsländern – das ist nahezu die Fläche Frankreichs.

Pachtpreise sind in Äthiopien sehr niedrig, das Oakland Institute spricht von 1,25 bis 42 US-Dollar pro Hektar pro Jahr, während es für Deutschland eine durchschnittliche Jahrespacht von 22 000 US-Dollar ansetzt. Oftmals sind die afrikanischen Gebiete sehr fruchtbar, aber weder durch Straßen erschlossen noch mit Strom versorgt. Ausländische Investoren können mit großzügigen Steuerbefreiungen rechnen, wenn sie sich hier engagieren.

Die Einheimischen arbeiten in der Regel als Tagelöhner in dieser neuen Agroindustrie. Umgerechnet bekommen die Landarbeiter 60 bis 80 Dollar-Cent am Tag. Und doch kommen Menschen hierher, weil es sonst keine Arbeit für sie in der Gegend gibt. Nicht nur in Äthiopien, sondern auch in vielen anderen afrikanischen Ländern wird darüber gestritten, wie die Kleinbauern ihr Leben verbessern könnten. Und welchen Platz die Regierungen der industriellen Agrarproduktion einräumen sollten, um mehr Devisen zu verdienen und Wachstum zu schaffen. Drei von vier Afrikanern leben noch immer von den Feldern, die sie selbst bewirtschaften. Angesichts komplizierter Landrechte und autoritärer und korrupter Regierungen entwickelt sich der Kampf um Agrarflächen zum großen Konfliktstoff der kommenden Jahrzehnte.

Kritiker machen auf große Risiken aufmerksam. Zehntausende Familien müssen umgesiedelt und in neuen Dörfern zusammengefasst werden, damit die riesigen Nutzflächen für die Unternehmen zur Verfügung gestellt werden können. Offiziell lautet die Begründung häufig, dass der Staat die Landbevölkerung so besser versorgen könnte, zum Beispiel mit Schulen und Kliniken. Das Oakland Institute, das weltweit über die Folgen großer Agrarinvestitionen forscht, zeichnet für den afrikanischen Kontinent ein düsteres Bild. Die Strategien der neuen Investoren werden zur Vertreibung von Kleinfarmern, zu Umweltzerstörungen, Verlust von Wasser und politischer Instabilität führen.

Hören Sie sich hier eine Buchvorstellung zum Thema „Landraub“ an.

Äthiopiens Politiker halten solchen Vorwürfen entgegen, dass sich ihr Land niemals entwickeln könne, wenn es nicht auch auf Großinvestitionen in der Landwirtschaft setze, das Land habe Millionen Hektar ungenutztes Land. Das sollte entwickelt werden.

Die Informationen stammen aus einer Reportage von Arne Perras aus der Süddeutsche Zeitung vom 25.6.2011