Grundbegriffe
Textbeispiel
Die Unterrichtsstunde
von Eugène Ionesco
PROFESSOR (mit völlig veränderter Stimme) Aufpassen … das Messer sticht …
SCHÜLERIN. Ja, ja … das Messer sticht?
(Der Professor tötet sie mit einem einzigen, wohl gezielten, theatralischen Messerstich.)
PROFESSOR. Aah! Da hast du’s!
(Die Schülerin schreit auch: „Aah!“ Dann gleitet sie langsam auf einen Stuhl, der wie zufällig vor dem Fenster steht. Das „Aah!“ schreien beide gleichzeitig, der Mörder und sein Opfer. Beim ersten Messerstich ist die Schülerin auf den Stuhl gesunken, die Beine hängen, schamlos gespreizt, zu beiden Seiten herab. Der Professor steht ihr gegenüber, mit dem Rücken zum Publikum. Er sticht zum zweiten Mal zu und schlitzt den toten Körper von unten nach oben auf. Dann erst durch läuft ihn sichtbar ein Zucken.)
PROFESSOR (außer Atem, stammelt vor sich hin). Schlampe … Geschieht dir recht … Das hat mir gutgetan …
Ach! (Er atmet schwer; er schwankt und fällt, zum Glück steht ein Stuhl da. Er trocknet sich die Stirn, stammelt unverständliche Worte vor sich hin; nach und nach atmet er ruhiger, steht wieder auf, betrachtet das Messer in seiner Hand, dann das junge Mädchen – endlich, als ob er aus einem langen Traum erwache, von panischem Schrecken ergriffen.) Was habe ich getan! Was wird mit mir geschehen? Ach nein, ach nein! So ein Unglück! Ich bitte Sie, gnädiges Fräulein, der Unterricht ist zu Ende … Sie können jetzt gehen … Sie zahlen eben das nächste Mal … Ach! … sie ist tot … to – ot … das ist entsetzlich. (Er ruft das Dienstmädchen.) Marie! Marie! Ach, liebe Marie, kommen Sie doch schnell! Schnell! Ach! Ach! (Die Tür rechts öffnet sich. Marie tritt auf.) Nein … kommen Sie nicht …
Eugène Ionesco, Die Unterrichtsstunde. Komisches Drama in einem Akt, Stuttgart 1989
Information
Im Unterschied zu einem Prosatext, in dem das Geschehen dem Leser durch einen Erzähler vermittelt wird,

nimmt der Zuschauer eines Theaterstücks die Ereignisse direkt und ohne vermittelnde Instanz wahr. Er erlebt den (scheinbaren) Mord an der Schülerin „live“. Das Geschehen entwickelt sich im Agieren der Personen, hinter dem sich alle möglichen Abgründe verbergen, über die nicht gesprochen wird. Um also zu erfahren, was den Professor treibt, seine Schülerin zu töten, muss man nicht nur die Dialoge zwischen den beiden analysieren, sondern auch herausbekommen, welche Triebe, Vorurteile und Einstellungen das Handeln des Lehrenden bestimmen. Zur Klärung dieser Fragen kann die Figur keinen direkten Beitrag leisten, weil sie sich darüber ja nicht im Klaren ist, sonst hätte sie sich vermutlich im Griff. Daher muss der Zuschauer die Art, wie sich die Person gibt, und die umgesetzten Regieanweisungen interpretieren, er muss sich ein Bild von der Figur machen, um die Gründe für das Verhalten zu finden. Im Roman hat es der Leser oft leichter: Dort beantwortet häufig der (auktoriale) Erzähler dem Leser diese Fragen, indem er ihm erklärt, was mit der Person eigentlich los ist.

Darstellung
Da Schauspieler das dramatische Geschehen szenisch darstellen, gehören zum Drama – das ist übrigens der Oberbegriff für alle Arten des Schauspiels wie Tragödie und Komödie –
- Dialoge bzw. Monologe. Häufig wird deshalb eine Sprachanalyse verlangt.
- Gestik und Mimik kommen als non-verbale Komponenten hinzu.
- Masken und Kostüme, Licht und Ton sorgen für Effekte. Ferner muss natürlich die
- Bühne mit einem Bühnenbild und Requisiten ausgestattet werden.
- Die wichtigsten Festlegungen der Gestaltung der Bühne trifft der Dichter mit Hilfe der
- Regieanweisungen, die man daran erkennt, dass sie kursiv gedruckt sind. In ihnen legt er auch das Spiel, das non-verbale Verhalten der Schauspieler und den Schauplatz fest.
Konflikt
Im Mittelpunkt steht ein Konflikt z.B. zwischen
- verschiedenen Personen, Gruppen oder Gesellschaftsschichten.
Es gibt neben den
- äußeren aber auch
- innere Konflikte, die in einer einzelnen Person ausgetragen werden.
Die Konfliktarten sind im Prinzip endlos.
Es kommen beispielsweise
- Gegensätze zwischen Vater und Tochter, zwischen
- Gut und Böse oder
- Täter und Opfer
- ebenso wie zwischen gegensätzlichen Wertvorstellungen vor.
Figuren
Wie Ihnen von Filmen her bekannt ist, gibt es
- Haupt- und Nebenfiguren, was sich aus ihrem Anteil an dem dramatischen Konflikt ergibt.
Nebenfiguren stehen am Rande des Geschehens und spielen in Bezug auf den zentralen Konflikt eher eine untergeordnete bzw. funktionale Rolle: Um den Konflikt klarer erscheinen zu lassen, versucht man beim Theater im Unterschied zu vielen Romanen mit wenig Personal auszukommen. Die im Theater vorgeführte Auseinandersetzung hat i.d.R. auch eine bestimmte Beziehung zwischen den Figuren zur Folge, was man als
- Figurenkonstellation bezeichnet.