Probleme der Vereinten Nationen

Einer der wesentlichen Gründe für die vielfach beklagte Schwäche der UNO besteht darin, dass die Vereinten Nationen seit dem Beginn der neunziger Jahre einer völlig veränderten globalen Friedens- und Stabilitätsordnung gegenüberstehen, ohne dass ihre institutionellen Strukturen, Arbeitsweisen und Entscheidungsprozeduren seit der Gründung der Organisation in der Schlussphase des Zweiten Weltkrieges an die neuen Erfordernisse angepasst worden wären. Dieser Krieg hatte den Staaten die Notwendigkeit einer handlungs- und durchsetzungsfähigen internationalen Organisation zur Aufrechterhaltung des Weltfriedens in dramatischer Weise vor Augen geführt. Das Scheitern der Vorgängerorganisation der Vereinten Nationen, des Völkerbundes, hatte zudem klargemacht, dass eine derartige Organisation nur dann erfolgreich sein kann, wenn alle wichtigen Großmächte in diese Verantwortung für Frieden und internationale Sicherheit eingebunden sind.

Allerdings forderten die Hauptsiegermächte des Zweiten Weltkrieges für ihre Bereitschaft, als „Weltpolizisten“ zur Verfügung zu stehen, zwei wichtige Privilegien, die sie von den übrigen UN-Mitgliedern abheben: Erstens sollten China, Frankreich, Großbritannien, die Sowjetunion und die USA im Macht- und Entscheidungszentrum der neu zu schaffenden Organisation, dem Sicherheitsrat, als Ständige Mitglieder vertreten sein. Zweitens sollten Beschlüsse dieses Hauptorgans zu allen inhaltlichen Fragen nur dann möglich sein, wenn die fünf Ständigen Mitglieder im Konsens abstimmen. Diese in der Charta verankerte Regelung räumt mithin jedem einzelnen der Ständigen Mitglieder ein faktisches Veto-Recht ein und ermöglicht es ihm, jegliche gegen seine Interessen gerichtete Maßnahme der Organisation zu verhindern.

Unter den Vorzeichen des sich bald nach der Gründung der Vereinten Nationen entwickelnden Ost-West-Gegensatzes führte der dann mit mehr als 200 eingelegten Vetos fast schon gewohnheitsmäßige Gebrauch dieses Rechts zu einer weitgehenden und dauerhaften Blockade des Sicherheitsrates wie auch des gesamten in der Charta der Vereinten Nationen vorgesehenen kollektiven Friedenssicherungssystems. Immerhin jedoch muss auch gesehen werden, dass das Veto-Recht dazu beigetragen hat, ein Auseinanderbrechen der Vereinten Nationen zu verhindern. Einen sich zuspitzenden Konflikt der Großmächte, in dem die Vereinten Nationen von der einen oder der anderen Seite vereinnahmt worden wären, hätte die Organisation kaum überstanden. So blieb der UNO im wesentlichen eine Rolle am Rande des Kräftemessens zwischen Ost und West.

Die neue Politik der UNO: „Verantwortlichkeit zu schützen“ (Responsibility to Protect, R2P)

Auf dem UN-Weltgipfel im September 2005 – ein Anschlussgipfeltreffen zu dem Jahrtausend-Gipfel der Vereinten Nationen im Jahr 2000 – äußerten sich alle Mitgliedsstaaten zu den Entwicklungszielen der Weltgemeinschaft. Der Gipfel wurde als größte Versammlung der Weltführer in der Geschichte bezeichnet. Ein wichtiger Aspekt dieser Entwicklungsperspektiven war das „Recht auf humanitäre Intervention„. Diese Initiative, entwickelt durch eine UN-Kommission und durch Kofi Annan, sieht das “ Recht zu schützen“ als wichtiges Ziel der UN und gibt der Weltgemeinschaft das Recht, einzugreifen, falls staatliche Behörden ihre Bevölkerung vor Genozid, Kriegsverbrechen, ethnischer Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht schützen können.
Das Dokument, das die UN diesbezüglich beschloss, enthält eine Vereinbarung über die Verantwortlichkeit, die Bevölkerungen zu schützen, die grobe Menschenrechtsverletzungen erleiden; einen Plan für die Einrichtung einer Friedenskommission, um Rückfälle in die Gewalttätigkeit zu verhindern und eine Vereinbarung über die Einrichtung eines neuen Menschenrecht-Rats, um Menschenrechte weltweit zu fördern und zu schützen. Man einigte sich darauf, dass die internationale Gemeinschaft eine „Verantwortlichkeit hat zu schützen“ (Responsibility to Protect), wenn Nationalregierungen ihre Verantwortlichkeit nicht erfüllen können, ihre Bürger vor gravierenden Verbrechen zu schützen. Der UNO-Beschluss von 2006 bestimmt, dass Bevölkerungen vor Genozid, Kriegsverbrechen, ethnischer Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen sind und verpflichtet den Sicherheitsrat, Zivilisten in bewaffneten Konflikten zu schützen.

In Libyen begann 2011die erste Militärintervention, die vom UN-Sicherheitsrat mit ausdrücklichem Bezug auf das Prinzip der »Schutzverantwortung« auf den Weg gebracht wurde. Syrien ist derzeit Gegenstand permanenter internationaler Krisensitzungen. Die Verpflichtung zur Einmischung ist ein neues Kennzeichen der UN-Politik. Sie erfolgt im Namen einer moralischen Ordnung, zur Verteidigung der Menschenrechte und zur Verhinderung schlimmster Gräueltaten. Diese neue Zielsetzung der UNO ist natürlich nicht unumstritten, steht diese Politik des R2P in einem Spannungsverhältnis zum Selbstbestimmungsrecht und der Souveränität der Nationen. Einen Hintergrundbericht zum Thema R2P lesen Sie >>hier

Notwendige Reformen

Eine entscheidende Reform steht aus, die die Mitgliedstaaten leisten müssen: Der Sicherheitsrat muss in seiner Zusammensetzung, in seinen Entscheidungsmechanismen und in seinen Arbeitsweisen den Erfordernissen des 21. Jahrhunderts angepasst werden. Er spiegelt in der Zusammensetzung seiner Ständigen Mitglieder die weltpolitische Konstellation am Ende des Zweiten Weltkrieges wider.

Seit 1993 laufen im Bereich der UN Bemühungen, den Sicherheitsrat hinsichtlich seiner Größe und Repräsentativität sowie transparenterer Arbeitsverfahren zu reformieren. Als weitgehend konsensfähig gilt eine Erweiterung des Rates auf 25 Mitglieder, darunter fünf neue Ständige Mitglieder. Diese Zahlen würden es erlauben, sowohl die bislang nicht vertretenen Weltregionen Afrika, Lateinamerika und Südasien mit Ständigen Sitzen auszustatten als auch zwei Sitze für Industrieländer vorzusehen.

Völlig offen ist die Frage, welche Staaten diese Sitze einnehmen sollen. Deutschland hat einen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 12. Oktober 2010 bekommen. Im ersten Wahlgang erhielt Deutschland mit 128 Stimmen die erforderliche Zwei-Drittel- Mehrheit. Mitbewerber um einen nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat waren Kanada und Portugal.
Die Idee eines gemeinsamen EU-Sitzes dürfte wohl noch lange Zeit am Widerstand Frankreichs und Großbritanniens scheitern.

Ebenfalls verhärtet stellen sich die Positionen in der Veto-Problematik dar. Die existierenden Ständigen Mitglieder wollen ihr Privileg weder aufgeben noch teilen, insbesondere die Entwicklungs- und Schwellenländer bestehen indes auf Gleichberechtigung aller künftigen Ständigen Mitglieder. Erst wenn dieser Reformschritt vollzogen ist, werden die Vereinten Nationen die Gefahr einer immer wiederkehrenden Selbstblockade überwinden und ihre globale Verantwortung effektiv wahrnehmen können.