Linearkombinationen und lineare Abhängigkeit von Pfeilvektoren

Im letzten Kapitel haben wir gesehen, dass es gelingt, mehrere Pfeilvektoren zu einem einzigen Pfeilvektor zusammenzufassen, und zwar mithilfe der Pfeilvektor-Addition, der Pfeilvektorsubtraktion und der Skalar-Vektor-Multiplikation.

Die Idee, nun umgekehrt zu untersuchen, ob und auf welche Weise sich ein Pfeilvektor aus anderen Pfeilvektoren zusammensetzen lässt, hat verschiedenen Gründe.

  • Zum Beispiel möchte man mit möglichst wenigen Pfeilvektoren auskommen, um mit ihnen sämtliche anderen Pfeilvektoren darzustellen. Wie das funktioiert und warum das äußerst wertvoll sein kann, zeigt sich in diesem Kapitel.
  • Wenn zu beobachten ist, dass ein Objekt schneller oder langsamer wird, dann bezeichnen die Physiker die Ursache dafür als „Kraft“. Wenn tatsächlich verschiedenene Kräfte gleichzeitig an einem Objekt (am selben Punkt) angreifen, dann ist trotzdem „nur“ das Zusammenwirken aller dieser angreifenden Kräfte zu beobachten. Den beobachtbaren Effekt dieses Zusammenwirkens bezeichnet man in der Physik als „resultierende Kraft“. Natürlich möchte man aber auch wissen, aus welchen angreifenden Kräften sich diese resultierende Kraft zusammensetzt.

\(\require{color}\definecolor{energy}{RGB}{114,0,172}\newcommand{\R}{{\rm I\!R}} \newcommand{\vvv}[3]{\left(\begin{array}{c} {#1}\\[-1em]{#2}\\[-1em]{#3} \end {array}\right) }\newcommand{\vv}[2]{\left(\begin{array}{c} {#1}\\[-1em] {#2} \end {array}\right) }\renewcommand{\vec}[2][black]{{\color{#1}{\overrightarrow{#2}}}}\newcommand{\MMM}[3]{\left(\begin{array}{rrr|r} #1\\ #2\\ #3\end{array}\right)}\)

Fragen, die Sie am Ende dieses Kapitels beantworten können sollten

  • Was versteht man unter einer Linearkombination von Pfeilvektoren?
  • Wie untersucht man eine Menge von Vektoren auf lineare Abhängigkeit am effizientesten?
  • Welche Bedeutung hat die geschlossene Vektorkette für die Untersuchung auf lineare Abhängigkeit?
  • Wie bezeichnet man eine Menge von Vektoren, in der sich wenigstens ein Vektor durch die anderen darstellen lässt?
  • Erläutern Sie, was man unter einer „geschlossenen Vektorkette“ versteht.
  • Erläutern Sie die besondere Lage von Pfeilvektoren, wenn sie „kollinear“ sind und wie man diese rechnerisch erkennen kann.
  • Beschreiben Sie, was man unter „komplanaren Vektoren“ versteht.
  • Was versteht man unter der „trivialen Linearkomination“?
  • Was versteht man unter einer „nicht-trivitalen Linearkombination des Nullvektors“?
  • Bei der Untersuchung einer Menge von Vektoren auf lineare Abhängigkeit stellt man fest, dass man den Nullvektor als nicht-triviale Linearkombination dieser Vektoren darstellen kann. Welche Bedeutung hat das für die betrachtete Menge von Vektoren?
  • Lässt sich in einer linear abhängigen Menge von Vektoren jeder dieser Vektoren als Linearkombination der anderen darstellen? Begründen Sie Ihre Anwort stichhaltig.

Linearkombinationen von Pfeilvektoren

Sind  \(\overrightarrow{v_1}\),  …,  \(\overrightarrow{v_n}\)  Pfeilvektoren und  \(k_1, …, k_n\)  reelle Zahlen, so bezeichnet man die Pfeilvektorsumme
\[k_1\cdot\overrightarrow{v_1}+ … +k_n\cdot\overrightarrow{v_n}\] als Linearkombination von  \(\overrightarrow{v_1}\),   …,  \(\overrightarrow{v_n}\) .

Die Aussage  \(\vec[blue]{u}=k_1\cdot\vec{v_1}+ … +k_n\cdot\vec{v_n}\)  kann folgendermaßen mit Worten beschrieben werden:

  • \(\vec[blue]{u}\)  ist eine Linearkombination von  \(\vec{v_1}\),   …,  \(\vec{v_n}\)
  • \(\vec[blue]{u}\)  wird erzeugt mithilfe von  \(\vec{v_1}\),   …,  \(\vec{v_n}\)
  • \(\vec[blue]{u}\)  lässt sich darstellen mithilfe von  \(\vec{v_1}\),   …,  \(\vec{v_n}\)

Interaktive Untersuchung zur Eindeutigkeit

Im nebenstehenden Geogebra-Applet sollen Sie untersuchen, unter welchen Umständen sich ein Vektor  \(\vec[blue]{u}\)  als Linearkombination der Vektoren  \(\vec[green]{v_1}\),  \(\vec[green]{v_2}\)  und evtl.  \(\vec[green]{v_3}\)

  • jeweils auf nur eine einzige Weise
  • oder aber auf verschiedene Weisen

darstellen lässt. Lassen Sie sich dazu auch die Lösung, die Vektorkette und die Beschriftung anzeigen, außerdem evtl. die Hilfslinien.

  • Die Darstellung von  \(\vec[blue]{u}\)  ist nur dann eindeutig, wenn nur 2 Vektoren  \(\vec[green]{v_1}\)  und  \(\vec[green]{v_2}\)  vorgegeben sind (wobei diese nicht parallel sein dürfen).
  • Die Darstellung von  \(\vec[blue]{u}\)  ist mehrdeutig, sobald 3 Vektoren \(\vec[green]{v_1}\),  \(\vec[green]{v_2}\)  und  \(\vec[green]{v_3}\)  vorgegeben sind (wobei diese nicht alle parallel zu \(\vec[blue]{u}\)  sein dürfen).

Setzen Sie nun das Häkchen im Auswahlkästchen „änderbar“, so dass Sie die Vektoren  \(\vec[blue]{u}\), \(\vec[green]{v_1}\),  \(\vec[green]{v_2}\)  (und  \(\vec[green]{v_3}\) ) verändern können. Versuchen Sie herauszufinden, unter welchen Umständen  \(\vec[blue]{u}\)  sich nicht mehr als Linearkombination von  \(\vec[green]{v_1}\),  \(\vec[green]{v_2}\)  (und  \(\vec[green]{v_3}\) ) darstellen lässt.

In folgenden Fällen ist es unmöglich,  \(\vec[blue]{u}\)  als Linearkombination von  \(\vec[green]{v_1}\),  \(\vec[green]{v_2}\)  (und  \(\vec[green]{v_3}\) ) darzustellen:

  • Möglichkeit 1:

Wenn  \(\vec[green]{v_1}\),  \(\vec[green]{v_2}\)  (und  \(\vec[green]{v_3}\) ) parallel sind, aber  \(\vec[blue]{u}\)  eine andere Richtung hat, ist eine Linearkombination unmöglich.

  • Möglichkeit 2:

Wenn  \(\vec[green]{v_1}\),  \(\vec[green]{v_2}\)  (und  \(\vec[green]{v_3}\) )  alle der Nullvektor sind.

 

 

Aufgaben zur Ermittlung von Linearkombinationen

Aufgabe 1

Im nachfolgenden Geogebra-Applet sollen Sie versuchen, eine Darstellung eines Vektors  \(\vec{c}\)  als Linearkombination der Vektoren  \(\vec{a}\)  und  \(\vec{b}\)  zu finden, sofern möglich.

Es kann sein, dass es

  • gar keine Möglichkeit,
  • genau eine Möglichkeit, oder
  • unendlich viele Möglichkeiten

gibt.

Hinweis:

Das für die Lösung benötigte Gleichungssystem können Sie im Geogebra-Applet, das sich rechts neben der Aufgabe befindet, mithilfe des Gauß-Verfahrens umformen, bis Sie die Lösung erkennen.

Es wird automatisch an die Aufgabe angepasst.

Eingabebeispiele für das Geogebra-Applet mit dem Gleichungssystem:

  • i, ii – Zeile i mit Zeile ii vertauschen
  • -3 ii – Zeile ii mit -3 multiplizieren
  • iii/4 – Zeile iii durch 4 teilen
  • 3 ii + 2 i – Zum 3-fachen von Zeile ii das 2-fache von Zeile i addieren (die zuerst notierte Zeilennummer gibt die Zeile an, die geändert wird)

  Verkürztes Gaußverfahren:

  • iii) 0, 1, 3*4-2*1, 2-1 – Die 4 Zahlen von Zeile iii ersetzen (Wenn zu wenige Zahlen eingegeben werden, werden von links Nuller ergänzt – weil man bei der Eingabe so gerne die Nuller vergisst…)
 
 

 

Aufgabe 2

Im nachfolgenden Geogebra-Applet sollen Sie versuchen, eine Darstellung eines Vektors  \(\vec{d}\)  als Linearkombination der Vektoren  \(\vec{a}\),  \(\vec{b}\)  und  \(\vec{c}\)  zu finden, sofern möglich.

Es kann sein, dass es

  • gar keine Möglichkeit,
  • genau eine Möglichkeit, oder
  • unendlich viele Möglichkeiten

gibt.

Hinweis:

Das für die Lösung benötigte Gleichungssystem können Sie im Geogebra-Applet, das sich rechts neben der Aufgabe befindet, mithilfe des Gauß-Verfahrens umformen, bis Sie die Lösung erkennen.

Es wird automatisch an die Aufgabe angepasst.

Eingabebeispiele für das Geogebra-Applet mit dem Gleichungssystem:

  • i, ii – Zeile i mit Zeile ii vertauschen
  • -3 ii – Zeile ii mit -3 multiplizieren
  • iii/4 – Zeile iii durch 4 teilen
  • 3 ii + 2 i – Zum 3-fachen von Zeile ii das 2-fache von Zeile i addieren (die zuerst notierte Zeilennummer gibt die Zeile an, die geändert wird)

  Verkürztes Gaußverfahren:

  • iii) 0, 1, 3*4-2*1, 2-1 – Die 4 Zahlen von Zeile iii ersetzen (Wenn zu wenige Zahlen eingegeben werden, werden von links Nuller ergänzt – weil man bei der Eingabe so gerne die Nuller vergisst…)
 
 

 

Vektoren, die voneinander abhängen

Lässt sich ein Vektor  \(\vec[blue]{u}\)  durch andere Vektoren  \(\vec{v_1}, …, \vec{v_n}\)  darstellen, sokann man diesen Zusammenhang zwischen    \(\vec[blue]{u}\)  und  \(\vec{v_1}, …, \vec{v_n}\)  auch dadurch beschreiben, dass man sagt: “ \(\vec[blue]{u}\)  hängt von  \(\vec{v_1}, …, \vec{v_n}\)  ab.“

Beispiel 1:

Gilt für 2 Vektoren  \(\vec[blue]{u}\)  und  \(\vec[green]{a}\)  der Zusammenhang  \(\vec[blue]{u} = k\cdot\vec[green]{a}\), so kann man folgern:

  •  \(\vec[blue]{u}\)  hängt von  \(\vec[green]{a}\)  ab.
  •  \(\vec[blue]{u}\)  ist ein Vielfaches von  \(\vec[green]{a}\).
  •  \(\vec[blue]{u}\)  und  \(\vec[green]{a}\)  sind parallel.

Gilt für 2 Vektoren  \(\vec[blue]{u}\)  und  \(\vec[green]{a}\)  der Zusammenhang  \(\vec[blue]{u} = k\cdot\vec[green]{a}\), so sagt man auch:

\(\vec[blue]{u}\)  und  \(\vec[green]{a}\)  sind  kollinear.

\(\ \)

Beispiel 2:

Gilt für 3 Vektoren \(\vec[blue]{u}\),  \(\vec[green]{a}\)  und  \(\vec[green]{b}\)  der Zusammenhang  \(\vec[blue]{u} = k_1\cdot\vec[green]{a} + k_2\cdot\vec[green]{b}\), so kann man folgern:

  •  \(\vec[blue]{u}\)  hängt von  \(\vec[green]{a}\)  oder  \(\vec[green]{b}\)  oder von beiden ab.
  •  \(\vec[blue]{u}\)  ist eine Linearkombination von  \(\vec[green]{a}\)  und  \(\vec[green]{b}\).
  •  \(\vec[blue]{u}\),  \(\vec[green]{a}\)  und  \(\vec[green]{b}\)  sind entweder parallel oder zumindest parallel zu einer gemeinsamen Ebene.

Gilt für 3 Vektoren \(\vec[blue]{u}\),  \(\vec[green]{a}\)  und  \(\vec[green]{b}\)  der Zusammenhang   \(\vec[blue]{u} = k_1\cdot\vec[green]{a} + k_2\cdot\vec[green]{b}\), so sagt man auch:

\(\vec[blue]{u}\),  \(\vec[green]{a}\)  und  \(\vec[green]{b}\)  sind  komplanar.

Aufgabe zu Beispiel 1 und Beispiel 2

Versuchen Sie, im nachfolgenden Geogebra-Applet die beiden nebenstehenden Beispiele graphisch nachzuverfolgen.

Bewegungsmodus anzeigen und ändern:

Um die Position eines Punktes in der 3D-Ansicht eines Geogebra-Applets zu verändern, können Sie den den Punkt je nach Modus entweder

  • parallel zur x-y-Ebene oder
  • parallel zur z-Achse

bewegen. Geogebra zeigt den Bewegungsmodus in Form von fetten Pfeilen an, solange der Mauszeiger auf dem Punkt platziert ist.

Um den Modus zu ändern, klicken Sie einen Punkt einfach nur einmal an.

Punkt im Koordinatensystem bewegen:

Um den Punkt zu bewegen, können Sie den Punkt

  • mit der Maus einmal anklicken und anschließend mit den Pfeiltasten der Tastatur bewegen oder
  • mit der Maus anklicken, die Maustaste gedrückt halten und nun die Maus bewegen.
 

 

Aufgabe (Beispiel zur Abhängigkeit von 2-dimensionalen Vektoren)

Gegeben sind die Vektoren  \(\vec[blue]{u}\!=\!\vv{-3}{6}\),  \(\vec[green]{a}\!=\!\vv{2}{-4}\)  und  \(\vec[green]{b}\!=\!\vv{1}{-1}\).

a) Geben Sie den Vektor  \(\vec[blue]{u}\)  als Linearkombination von  \(\vec[green]{a}\)  und  \(\vec[green]{b}\)  an.

b) Nehmen Sie außerdem Stellung zu den folgenden beiden Aussagen.

  • Aussage 1: “ \(\vec[blue]{u}\)  hängt von  \(\vec[green]{a}\)  und  \(\vec[green]{b}\)  ab.“
  • Aussage 2: “ \(\vec[green]{b}\)  hängt von  \(\vec[green]{a}\)  und  \(\vec[blue]{u}\)  ab.“

\(\vec[blue]{u}= -1{,}5\cdot\vec[green]{a}+0\cdot\vec[green]{b}\)

Zu Aussage 1: „\(\vec[blue]{u}\)  hängt von  \(\vec[green]{a}\)  und  \(\vec[green]{b}\)  ab.“

Offenbar lässt sich  \(\vec[blue]{u}\)  allein mit  \(\vec[green]{a}\)  darstellen, während  \(\vec[green]{b}\)  nicht verwendet werden darf.

Folgerung:

  • Es ist sprachlich also irreführend zu sagen
    „\(\vec[blue]{u}\)  hängt von  \(\vec[green]{a}\)  und \(\vec[green]{b}\)  ab.“
  • Vorsichtiger, aber zutreffend wäre tatsächlich „Man benötigt entweder  \(\vec[green]{a}\), oder  \(\vec[green]{b}\), oder beide, um  \(\vec[blue]{u}\)  zu erzeugen“.

Zu Aussage 2: “ \(\vec[green]{b}\)  hängt von  \(\vec[green]{a}\)  und  \(\vec[blue]{u}\)  ab.“

Die Aussage ist falsch,  da sich  \(\vec[green]{b}\)  nicht als Linearkombination von \(\vec[green]{a}\)  und  \(\vec[blue]{u}\)  darstellen lässt.

Lineare Abhängigkeit bzw. Unabhängigkeit einer Menge von Vektoren

Eine Menge  \(M=\{\vec{v_1}, …,\vec{v_n}\}\)  heißt genau dann „linear abhängig„, wenn sich wenigstens einer der Vektoren aus  \(M\)  als Linearkombination der anderen Vektoren aus  \(M\)  darstellen lässt.

Die Aussage „Die Vektoren  \(\vec{v_1}\), …,\(\vec{v_n}\)  sind linear abhängig.“ soll bedeuten: Die Menge   \(\{\vec{v_1}, …,\vec{v_n}\}\)  ist linear abhängig„.

Beispiel:  \(\vec[blue]{u}\!=\!\vv{-3}{6}\),  \(\vec[green]{a}\!=\!\vv{2}{-4}\), \(\vec[green]{b}\!=\!\vv{1}{-1}\).

Die Menge  \(M=\{\vec[blue]{u}, \vec[green]{a},  \vec[green]{b}\}\)  ist linear abhängig,  weil sich  \(\vec[blue]{u}\)  in der Form  \(\vec[blue]{u}= -1{,}5\cdot\vec[green]{a}+0\cdot\vec[green]{b}\)  darstellen lässt .

Nur weil eine Vektor-Menge linear abhängig ist, muss sich noch lange nicht jeder Vektor aus der Menge durch die anderen darstellen lassen!

So lässt sich in der obigen Menge  \(M\)  der Vektor  \(\vec[green]{b}\)  nicht als Linearkombination von \(\vec[blue]{u}\)  und  \(\vec[green]{a}\)  darstellen.

Eine Menge  \(M=\{\vec{v_1}, …,\vec{v_n}\}\)  heißt genau dann „linear unabhängig„, wenn sich keiner der Vektoren aus  \(M\)  als Linearkombination der anderen Vektoren aus  \(M\)  darstellen lässt.

Die Aussage „Die Vektoren  \(\vec{v_1}\), …,\(\vec{v_n}\)  sind linear unabhängig.“ soll bedeuten: Die Menge  \(\{\vec{v_1}, …,\vec{v_n}\}\)  ist linear unabhängig„.

Offenbar ist die Menge  \(M\)  genau dann linear unabhängig, wenn sie NICHT linear abhängig ist.

Beispiel:  \(\vec{v_1}\!=\!\vvv{1}{0}{0}\),  \(\vec{v_2}\!=\!\vvv{0}{1}{0}\), \(\vec{v_3}\!=\!\vvv{0}{0}{1}\).

Die Menge  \(M=\{\vec{v_1}, \vec{v_2},  \vec{v_3}\}\)  ist linear unabhängig,  weil es unmöglich ist, jeweils 2 Vektoren aus dieser Menge so linear zu kombinieren, dass der verbleibende Vektor damit dargestellt werden kann.

Untersuchung einer Menge von Vektoren auf lineare Abhängigkeit bzw. Unabhängigkeit

Um zu untersuchen, ob eine Menge  \(M=\{\vec{a}, \vec{b}, \vec{c}\}\)  von Vektoren linear abhängig ist, müsste man wenigstens einen Vektor aus  \(M\)  finden, der sich durch die anderen Vektoren aus  \(M\)  darstellen lässt.

Da sich in  \(M\)  trotzdem Vektoren befinden können, die sich NICHT durch die anderen Vektoren aus  \(M\)  darstellen lassen, ist es naheliegend zu vermuten, dass man alle Variationsmöglichkeiten testen muss:

1) Gibt es Werte  \(k_1\),  \(k_2\), so dass  \(\vec{a} = k_1\cdot\vec{b} + k_2\cdot\vec{c}\) ?
2) Gibt es Werte  \(k_3\),  \(k_4\), so dass  \(\vec{b} = k_3\cdot\vec{a} + k_4\cdot\vec{c}\) ?
3) Gibt es Werte  \(k_5\),  \(k_6\), so dass  \(\vec{c} = k_5\cdot\vec{a} + k_6\cdot\vec{b}\) ?

Muss man jedesmal alle diese Untersuchungen durchführen?

Natürlich darf man die Untersuchung abbrechen, sobald man eine Linearkombination gefunden hat.

Trotzdem kann man Pech bei der Wahl der Reihenfolge haben, und je mehr Vektoren sich in der Menge  \(M\)   befinden, desto größer wird der Rechenaufwand!

Trick: „Eine für alle“

Tatsächlich gibt es einen einfachen Trick, mit dem wir alle 3 Untersuchungen auf einmal durchführen können.

Eine clevere Überlegung (siehe rechts) zeigt, dass jede der 3 obigen Gleichungen durch diese einzige Gleichung abgedeckt ist:

\(\ell_1\cdot\vec{a} + \ell_2\cdot\vec{b} + \ell_3\cdot\vec{c} = \vec{0}\)

Dahinter steckt diese clevere Überlegung:

Man subtrahiert bei jeder der Gleichungen jeweils auf beiden Seiten den Vektor, der links vom Gleichheitszeichen steht, so dass auf der linken Seite jeweils nur noch der Nullvektor  \(\vec{0}\)  stehen bleibt.

Diese Umformungen müssen nicht jedesmal durchgeführt werden! Sie dienen hier nur zur Verdeutlichung, dass sich alle eigentlich zu untersuchenden Gleichungen auf die Form  \(\vec{0}=\ell_1\cdot\vec{a} + \ell_2\cdot\vec{b} + \ell_3\cdot\vec{c}\)  bringen lassen:

  • \(\phantom{\Rightarrow\ }\vec[red]{a} = k_1\cdot\vec{b} + k_2\cdot\vec{c}\quad |\ -\vec[red]{a}\)
    \(\Rightarrow\ \vec{0} = -1\cdot\vec[red]{a} + k_1\cdot\vec{b} + k_2\cdot\vec{c}\)
  • \(\phantom{\Rightarrow\ }\vec[red]{b} = k_3\cdot\vec{a} + k_4\cdot\vec{c}\quad |\ -\vec[red]{b}\)
    \(\Rightarrow\ \vec{0} = k_3\cdot\vec{a}  + (-1)\cdot\vec[red]{b} + k_4\cdot\vec{c}\)
  • \(\phantom{\Rightarrow\ }\vec[red]{c} = k_5\cdot\vec{a} + k_6\cdot\vec{b}\quad |\ -\vec[red]{c}\)
    \(\Rightarrow\ \vec{0} = k_5\cdot\vec{a} + k_6\cdot\vec{b} + (-1)\cdot\vec[red]{c}\)

Nach Umbenennung der skalierenden Faktoren in  \(\ell_1\),  \(\ell_2\)  und  \(\ell_3\)  erhält man die Gleichung

\(\vec{0}=\ell_1\cdot\vec{a} + \ell_2\cdot\vec{b} + \ell_3\cdot\vec{c}\).

Diese Gleichung stellt man als lineares Gleichungssystem mit den Variablen  \(\ell_1\),  \(\ell_2\)  und  \(\ell_3\)  dar und ermittelt dessen Lösungsmenge (z.B. mithilfe des Gauß-Verfahrens).

Das Praktische darin ist, dass es für die Art der Lösungsmenge nur 2 unterschiedliche Möglichkeiten gibt. Und die sind entscheidend dafür, ob die Menge  \(M=\{\vec{a}, \vec{b}, \vec{c}\}\)  linear abhängig ist oder nicht.

Möglichkeit 1 (unendlich viele Lösungen)

Der Ansatz  \(\ell_1\cdot\vec{a} + \ell_2\cdot\vec{b} + \ell_3\cdot\vec{c} = \vec{0}\)  führt bei dieser Möglichkeit zu einem Gleichungssystem, für das man unendlich viele Lösungen findet.

Folglich gibt es dann auch eine Lösung, bei der wenigstens eine der drei Variablen  \(\ell_1\),  \(\ell_2\)  oder  \(\ell_3\)  nicht Null ist.

Ist z.B.  \(\ell_2\neq 0\), so kann man die Vektorgleichung nach  \(\vec{b}\)  auflösen:

\(\phantom{\Rightarrow\quad\ }\ell_1\!\cdot\!\vec{a} + \ell_2\!\cdot\!\vec{b} + \ell_3\!\cdot\!\vec{c} = \vec{0}\)

\(\Rightarrow\quad\ell_2\!\cdot\!\vec{b} = -\ell_1\!\cdot\!\vec{a}\ -\ \ell_3\!\cdot\!\vec{c}\)

\(\Rightarrow\quad\vec{b} = -\frac{\ell_1}{\ell_2}\!\cdot\!\vec{a}\ -\ \frac{\ell_3}{\ell_2}\!\cdot\!\vec{c} \)

Also hätten wir einen Vektor in  \(M=\{\vec{a}, \vec{b}, \vec{c}\}\)  gefunden, der sich durch die anderen Vektoren aus  \(M\)  darstellen lässt.

Folglich haben wir in diesem Fall nachgewiesen, dass  \(M\)  linear abhängig ist.

Beispiel zu Möglichkeit 1

\(\vec{a}=\vvv{-3}{4}{6}\),  \(\vec{b}=\vvv{4}{-2}{-5}\),  \(\vec{c}=\vvv{7}{4}{-2}\)

Lösungsansatz: \(\ell_1\!\cdot\!\vec{a} + \ell_2\!\cdot\!\vec{b} + \ell_3\!\cdot\!\vec{c} = \vec{0}\)

\(\Rightarrow\quad\ell_1\!\cdot\!\vvv{-3}{4}{6} + \ell_2\!\cdot\!\vvv{4}{-2}{-5} + \ell_3\!\cdot\!\vvv{7}{4}{-2} = \vvv{0}{0}{0}\)

Diese Vektorgleichung lässt sich auch als lineares Gleichungssystem darstellen:

\(\begin{array}{rrrrl}\text{I)} & -3x &\!\!{+}\,4y &\!\!{+}\,7z & \!\!=0 \\ \text{II)} & 4x &\!\!{-}\,2y &\!\!{+}\,4z & \!\!=0 \\ \text{III)} & 6x &\!\!{-}\,5y &\!\!{-}\,2z & \!\!=0 \\ \end{array}\)

\(\phantom{\Rightarrow\ }\MMM{-3 & 4 & 7 & 0}{4 & -2 & 4 & 0}{6 & -5 & -2 & 0}\)

\(\Rightarrow\ \MMM{-3 & 4 & 7 & 0}{0 & -10 & -40 & 0}{0 & -9 & -36 & 0}\)

\(\Rightarrow\ \MMM{-3 & 4 & 7 & 0}{0 & 1 & 4 & 0}{0 & 0 & 0 & 0}\)

Wir erhalten eine obere Dreiecksmatrix, bei der nur noch 2 Gleichungen für 3 Variablen vorliegen.

Da am Ende der Umformungen weniger Gleichungen als Variablen übrigbleiben, besitzt das Gleichungssystem unendlich viele Lösungen. Diese Erkenntnis genügt, um zu folgern, dass die Vektoren linear abhängig sind.

Die tatsächliche Gestalt der Lösungsmenge wird für die Untersuchung der linearen Abhängigkeit nicht benötigt.

Für alle Neugierigen wird die vollständige Ermittlung der Lösungsmenge hier trotzdem noch vorgeführt:

Aus der  \(\text{II.}\)  Gleichung erhalten wir  \(y = -4z\).

Setzt man \(y = -4z\)  in  \(\text{I)} -3x+4y+7z=0\)  ein und löst die Gleichung nach  \(x\)  auf, so erhält man schließlich  \(x=-3z\).

Das bedeutet:

  • \(x\)  hat stets den -3-fachen Wert von dem, was wir für  \(z\)  wählen.
  • \(y\)  hat stets den -4-fachen Wert von dem, was wir für  \(z\)  wählen.

Oder kurz:  \(L = \{(-3z; -4z; z) | z\in\R\}\)

Möglichkeit 2 (nur eine einzige Lösung)

Wenn Möglichkeit 1 nicht vorliegt, dann führt der Ansatz  \(\ell_1\cdot\vec{a} + \ell_2\cdot\vec{b} + \ell_3\cdot\vec{c} = \vec{0}\)  zu einem Gleichungssystem, für das man nur eine einzige Lösung findet, und zwar  \(\ell_1=0\),  \(\ell_2=0\)  und  \(\ell_3=0\)  (die sog. „triviale Lösung„).

Das heißt, die einzige Möglichkeit, den Nullvektor  \(\vec{0}\)  als Linearkombination der Vektoren  \(\vec{a}\),  \(\vec{b}\)  oder  \(\vec{c}\)  dazustellen, ist diese: \(0\!\cdot\!\vec{a} + 0\!\cdot\!\vec{b} + 0\!\cdot\!\vec{c} = \vec{0}\)  (die sog. „triviale Linearkombination„).

Die Gleichung  \(0\!\cdot\!\vec{a} + 0\!\cdot\!\vec{b} + 0\!\cdot\!\vec{c} = \vec{0}\)  lässt sich offensichtlich nicht mehr so umstellen, dass einer der Vektoren  \(\vec{a}\),  \(\vec{b}\)  oder  \(\vec{c}\)  alleine auf einer Seite steht.

Also lässt sich keiner der Vektoren aus  \(M=\{\vec{a}, \vec{b}, \vec{c}\}\)  durch die anderen Vektoren aus  \(M\)  darstellen.

Die Menge  \(M\)  ist folglich NICHT linear abhängig.

Vielleicht etwas verständlicher ist die Formulierung:

Die Menge  \(M\)  ist linear unabhängig.

Beispiel zu Möglichkeit 2

\(\vec{a}=\vvv{3}{-2}{5}\),  \(\vec{b}=\vvv{-2}{2}{1}\),  \(\vec{c}=\vvv{4}{7}{-2}\)

Lösungsansatz: \(\ell_1\!\cdot\!\vec{a} + \ell_2\!\cdot\!\vec{b} + \ell_3\!\cdot\!\vec{c} = \vec{0}\)

\(\Rightarrow\quad\ell_1\!\cdot\!\vvv{3}{-2}{5} + \ell_2\!\cdot\!\vvv{-2}{2}{1} + \ell_3\!\cdot\!\vvv{4}{7}{-2} = \vvv{0}{0}{0}\)

Diese Vektorgleichung lässt sich auch als lineares Gleichungssystem darstellen:

\(\begin{array}{rrrrl}\text{I)} & 3x &\!\!{-}\,2y &\!\!{+}\,4z & \!\!=0 \\ \text{II)} & -2x &\!\!{+}\,2y &\!\!{+}\,z & \!\!=0 \\ \text{III)} & 5x &\!\!{+}\,y &\!\!{-}\,2z & \!\!=0 \\ \end{array}\)

\(\phantom{\Rightarrow\ }\MMM{3 & -2 & 4 & 0}{-2 & 2 & 1 & 0}{5 & 1 & -2 & 0}\)

\(\Rightarrow\ \MMM{3 & -2 & 4 & 0}{0 & 2 & 11 & 0}{0 & 13 & -14 & 0}\)

\(\Rightarrow\ \MMM{3 & -2 & 4 & 0}{0 & 2 & 11 & 0}{0 & 0 & -15 & 0}\)

Wir erhalten eine obere Dreiecksmatrix, bei der 3 Gleichungen für 3 Variablen vorliegen.

Da am Ende der Umformungen genauso viele Gleichungen wie Variablen übrigbleiben, besitzt das Gleichungssystem genau eine Lösung. Diese Erkenntnis genügt, um zu folgern, dass die Vektoren linear unabhängig sind.

Es muss sich um die triviale Lösung  \(x=0\),  \(y=0\)  und  \(z=0\)  handeln! Wer’s nicht glaubt, rechnet nach:

Beginnend mit der  \(\text{III.}\)  Gleichung erhalten wir  \(z = 0\).

Setzt man \(z = 0\)  in  \(\text{II)} 2y+11z=0\)  ein und löst die Gleichung nach  \(y\)  auf, so erhält man schließlich  \(y=0\).

Setzt man \(y = 0\)  und \(z = 0\)  in  \(\text{I)} 3x\,{-}\,2y+4z=0\)  ein und löst die Gleichung nach  \(z\)  auf, so erhält man schließlich  \(z=0\).

Oder kurz:  \(L = \{(0; 0; 0)\}\)

Zusammenfassung:

Eine Menge  \(M=\{\vec{v_1}, …,\vec{v_n}\}\)  ist genau dann „linear abhängig„, wenn der Ansatz

\(\ell_1\cdot\vec{v_1} + \ell_2\cdot\vec{v_2} + … + \ell_n\cdot\vec{v_n} = \vec{0}\)

zu einem Gleichungssystem führt, das unendlich viele Lösungen besitzt.

Eine Menge  \(M=\{\vec{v_1}, …,\vec{v_n}\}\)  ist genau dann „linear unabhängig„, wenn der Ansatz

\(\ell_1\cdot\vec{v_1} + \ell_2\cdot\vec{v_2} + … + \ell_n\cdot\vec{v_n} = \vec{0}\)

zu einem Gleichungssystem führt, das nur eine einzige Lösung besitzt.

(Es handelt sich dann um die sog. triviale Lösung  \(\ell_1=0, …\ell_n=0\) ).

Aufgabe zur Untersuchung auf lineare Abhängigkeit und lineare Unabhängigkeit

Im nachfolgenden Geogebra-Applet sollen Sie jeweils herausfinden, ob die Vektoren  \(\vec{a}\),  \(\vec{b}\)  und  \(\vec{c}\)  linear abhängig oder linear unabhängig sind.

Eingabebeispiele für das Geogebra-Applet mit dem Gleichungssystem:

  • i, ii – Zeile i mit Zeile ii vertauschen
  • -3 ii – Zeile ii mit -3 multiplizieren
  • iii/4 – Zeile iii durch 4 teilen
  • 3 ii + 2 i – Zum 3-fachen von Zeile ii das 2-fache von Zeile i addieren (die zuerst notierte Zeilennummer gibt die Zeile an, die geändert wird)

  Verkürztes Gaußverfahren:

  • iii) 0, 1, 3*4-2*1, 2-1 – Die 4 Zahlen von Zeile iii ersetzen (Wenn zu wenige Zahlen eingegeben werden, werden von links Nuller ergänzt – weil man bei der Eingabe so gerne die Nuller vergisst…)