Grenzen der Meinungs- und Pressefreiheit

Problemaufriss

Viele Berichte in Medien stellen uns vor wichtige Fragen:

  • Wie weit darf die Pressefreiheit gehen?
  • Wo beginnt die Verletzung der persönliche Ehre bzw. Würde des Einzelnen, über den berichtet wird?
  • Welche Einschnitte in die Pressefreiheit sind in einer Demokratie zulässig?

Die beiden Grundrechte, nämlich die Meinungs- und Pressefreiheit sowie der Schutz der Würde des Menschen, stehen einander konkurrierend gegenüber. Der demokratische Staat hat beide Seiten zu schützen. Von Fall zu Fall ist zu entscheiden, wie jeweils zu gewichten ist.

Demokratie

 Vorgaben des Grundgesetzes

Schwierige Klärung der rechtlichen Situation

Einerseits gilt:

(1) „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugäng-
lichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ Art. 5 GG 

Andererseits gilt aber auch:

(2) „Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“ Art. 5 GG
(1) „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt.“ Art. 1 GG

Der Spiegel (Leserzuschrift):

Im Grundgesetz stehen wunderschöne Bestimmungen über die Freiheit der Presse. Wie so häufig, ist die Verfassungswirklichkeit ganz anders als die geschriebene Verfassung. Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten. Journalisten, die diese Meinung teilen, finden sie immer. Ich kenne in der Bundesrepublik keinen Kollegen, der sich oder seine Meinung verkauft hätte. Aber wer nun anders denkt, hat der nicht auch das Recht, seine Meinung auszudrücken? Die Verfassung gibt ihm das Recht, die ökonomische Wirklichkeit zerstört es. Frei ist, wer reich ist.“

Aufgaben

1. Gibt es konkrete Fälle, in denen die Pressefreiheit zum Schutze der Jugend bzw. zum Schutz der
persönlichen Ehre oder der Würde des Menschen eingeschränkt werden muss?

2. Was bedeutet die provokative Aussage „Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten,
ihre Meinung zu verbreiten“?

3. Wie ist die obige Karikatur zu interpretieren?

Lösungen

Die Pressefreiheit wird zum Schutze der Jugend und der persönlichen Ehre bzw. der Würde des Menschen z.B. in folgenden Fällen eingeschränkt. Verboten sind Schriften, Bilder etc., die

  • zum Rassenhass aufstacheln (z.B. Hass gegen Ausländer, Andersdenkende etc schüren),
  • Gewalt in einer die Menschenwürde verletzenden Art darstellen (z.B die Folgen der Gewalteinwirkung beim Menschen realistisch und in Großaufnahme zeigen),
  • Kriegsverherrlichung betreiben (z.B. Kriegspropaganda aus dem Nationalsozialismus),
  • Pornografie zeigen (z.B. sexuelle Handlungen losgelöst vom Thema Liebe),
  • das Privatleben das Privatleben und die Intimspäre  von Menschen nicht achten (z.B. durch die Darstellung kranker oder sterbender Menschen).

Wirklich wirksam können vor allem solche Menschen Ihre Meinung verbreiten, die entweder großen wirtschaftlichen Einfluss auf Medien ausüben können oder diese selbst besitzen bzw. kontrollieren.
So haben z.B. schon mehrmals in der Geschichte der Bundesrepublik große Wirtschaftsunternehmen mit einem Anzeigenboykott gedroht, um die Berichterstattung von Presseorganen zu beeinflussen.

Auch ist bekannt, dass große Massenblätter vor allem im Boulevardbereich ihre Meinung zu bestimmten Themen durch ständige Wiederholung dem Leser zu vermitteln versuchen.

Immer wieder gibt es Medien (in der Karikatur Zeitungen), die versuchen Schlupflöcher in den Mediengesetzen bzw. im Pressekodex zu finden. Ein solches bietet  z.B. Punkt 8 des Pressekodexes, wo es heißt:
„Die Presse achtet das Privatleben und die Intimspäre des Menschen. Berührt jedoch das private Verhalten öffentliche Interessen,  so kann es im Einzelfall in der Presse erörtert werden. Dabei ist zu prüfen, ob durch eine Veröffentlichung Persönlichkeitsrechte Unbeteiligter verletzt werden.“

Es ist im Einzelfall meist schwer zu klären, wo im Verhalten einer Person öffentliche Interessen berührt werden und wo nicht. Daher legen vor allem die Boulevardmedien diesen Passus häufig offensiv zu ihren Gunsten aus.

Schutz der Privatsphäre

Das Problem des Sensationsjournalismus


„Erst kommt das Foto, dann die Moral!“

Dieser Ausspruch stammt von einem bekannten Fotoreporter und gilt für viele seiner Kollegen. Nicht selten fühlen sich vor allem bekannte Persönlichkeiten als Opfer dieser Leute. Das prominenteste Beispiel hierfür ist wohl Prinzessin Diana. Ihr Tod entfachte eine heftige Debatte über die Paparazzi. Diana schien Opfer einer besonderen Art von Menschenjagd zu sein, des Jagdfiebers einer ganzen Horde von Fotografen.In ihrem Kampf um die heißeste Story mischten sich auch bei der Geißelnahme von Gladbeck (1988) Reporter aktiv ins Geschehen ein. Sie interviewten Geißelnehmer und stellten sie fast als Helden des Tages zur Schau. Das Kidnapping, bei dem es um Leben und Tod ging, wurde live im Fernsehen übertragen. Die Fotografen und Kameraleute behinderten die Polizei bei ihren Ermittlungen und wurden mitschuldig am Tod von zwei Menschen. Die journalistische Ethik ist dem gnadenlosen Wettbewerb um die beste Story zum Opfer gefallen, der Tatsache eben, dass Information eine Ware ist, – vor allem bei kommerziellen Sendern – nichts anderes zählt als die Einschaltquote.


Was sagen die Verteidiger des Sensationsjournalismus?

  • Auch das Publikum trägt Verantwortung für die genannte Art des Journalismus. Es könnte aus ethischen Gründen „gewisse Medienprodukte“ zurückweisen. Was nicht verkauft, nicht konsumiert wird, hat am Markt auch keine Chance.
  • Jeder kann strafrechtlich gegen Medien vorgehen, die seine Persönlichkeitsrechte verletzen. Zudem kann man beim Presserat Beschwerde einlegen, wenn durch einen Bericht oder durch Bilder die Würde und die Persönlichkeitsrechte von Menschen verletzt worden sind.
  • Die staatlichen Kontrollorgane dürfen nur bei Gesetzesverstößen durch Medien gegen diese vorgehen, jedoch ist es ihnen nicht erlaubt, über wertvolle oder moralisch verwerfliche Medienprodukte zu urteilen. Dürfte der Staat hier eine Unterscheidung zwischen guten und schlechten Medienbeiträgen treffen, gäbe es bald keine Pressefreiheit mehr.

Aufgaben

1. Sind Verlage bzw. Radio- und Fernsehsender im Konkurrenzdruck einer freien Wirtschaftsordnung
in der Lage, sich in Sachen Sensationsjournalismus aus Anstand zu mäßigen?

2. Warum wird gerade bei den in Privatbesitz befindlichen Medien die Einschaltquote besonders hoch bewertet?

3. Warum würde die Pressefreiheit leiden, wenn der Staat einzelne Medien bewerten könnte?

Lösungen

Im Prinzip können sie auf eine sensationelle und reißerische Darstellung verzichten, wenn dadurch die Konsumenten das jeweilige Medium nicht verschmähen.

Medien, die eine Zielgruppe haben, die nicht auf Sensationsjournalismus anspricht, tun dies heute schon. Als Beispiele könnten hier v.a. Zeitungen wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ oder die „Süddeutsche Zeitung“ genannt werden.

Medien, deren Zielgruppe auf Sensationsjournalismus anspricht , können jedoch schwerlich darauf verzichten, um nicht Auflagen bzw. Einschaltquoten zu gefährden.

In Privatbesitz befinden sich fast alle Printmedien sowie ein Teil der Rundfunk- und Fernsehanstalten. Solche Medien müssen alles tun, um in der Publikumsgunst nicht zu verlieren, da hier ein Einbruch sofort die wirtschaftliche Existenz gefährden würde.
Öffentlich-rechtliche Rundfunk- und Fernsehanstalten müssen nicht primär quotenorientiert arbeiten, da sie die Rundfunkgebühren der Zuschauer erhalten. Die „Privaten“ bekommen von diesem Geld nichts, sondern sind auf Werbeeinnahmen angewiesen, die wiederum stark quotenabhängig sind.

Eine Beurteilung bzw. Klassifizierung der Medien durch den Staat würde die Pressefreiheit beeinträchtigen, weil

  • jedes Medium selbst frei entscheiden soll, welche Art von Journalismus  es bevorzugt. Einstaatlich festgelegtes „Gut“ oder „Schlecht“ würde diese Freiheit untergraben;
  • dadurch die Vielfalt der Medien und Meinungen gefährdet würde.