Persönliche Stellungnahme: Anwendung 1
Übungstext 1
Aufgaben:
Die Jugend will gebraucht werden
von Thomas Emons
Ist die Jugend von heute politisch uninteressierter und gewalttätiger als früher? Diese Frage könnte man sich stellen, wenn man zuweilen die öffentliche Diskussion über Jugendprobleme in Deutschland verfolgt. Dass die Jugend besser als ihr Ruf ist, zu diesem Ergebnis kamen die Teilnehmer einer Fachtagung über „Jugend in Deutschland“.
In seinem Eröffnungsvortrag nahm der Frankfurter Sozialforscher und Hauptautor der Shell-Studie „Jugend 97“, Arthur Fischer, gleich eine Erkenntnis vorweg: „Die Jugend gibt es nicht.“ Mit selbstkritischem Blick auf seine eigene Fachdisziplin stellte er fest, dass die Jugend oft mit Vorurteilen belastet werde und zuweilen als Projektionsfläche für allgemeine gesellschaftliche Probleme wie Kriminalität und Parteienverdrossenheit herhalten müsse.
Man war sich vor dem Hintergrund der Forschungsergebnisse einig, Jugendliche seien keineswegs politik-, sondern nur parteienverdrossen. Sie interessieren sich also sehr wohl für die Probleme der Zeit, haben aber das Vertrauen in die Politiker verloren. Organisationen wie „amnesty international“ und Greenpeace genießen nach Ansicht der Wissenschaftler bei Jugendlichen eine weitaus größere moralische Autorität als die Parteien.
Für Helmut Willems vom Deutschen Jugendinstitut in München steht fest, dass Jugendliche gebraucht werden wollen. Sie wollen sehen und erleben: Mein Einsatz ist ernsthaft erwünscht und kann etwas zur Bewältigung der Probleme der Zeit beitragen. Ist dies gegeben, dann sind sie auch bereit, sich politisch zu engagieren. Es kann also eher von einer jugendvergessenen Politik als von einer politikverdrossenen Jugend gesprochen werden. In diesem Zusammenhang könnte eine Herabsetzung des Wahlalters auf 16 oder gar 14 Jahre ein mögliches Mittel sein, um das politische Interesse Jugendlicher zu fördern und politische Ohnmachtsgefühle abzubauen. Diesem Argument könnte allerdings entgegengehalten werden, dass eine noch frühere Übernahme von politischer Verantwortung einer Abschaffung der Kindheit gleichkommen würde.
Interessante Zusammenhänge zwischen der sozialen Lebenswirklichkeit und der Parteipräferenz von Jugendlichen erbrachte eine Befragung. Demnach besteht eine enge Beziehung zwischen familiärer Unterstützung, Bildungsstand und politischem Interesse, wobei sich die Anhänger der Regierungsparteien mit ihrem Lebensumfeld zufriedener zeigten als die Anhänger der Oppositionsparteien.
Ist es in Deutschland heute leichter oder schwerer, jung zu sein, als früher? „Ja und Nein“, lautet die Antwort der Jugend- und Sozialforscher. Einer gewachsenen Freiheit in der privaten Lebensgestaltung steht eine stärkere materielle Einengung gegenüber. Die Messlatte für den Einstieg ins Berufsleben liegt immer höher. Viele Jugendliche, die durch das Qualifikationsraster fallen, erleben eine tiefgreifende persönliche Verunsicherung, auf die sie auch mit Gewalt oder psychosomatischen Gesundheitsstörungen reagieren. Intakte Familienstrukturen, die diese Verunsicherung emotional auffangen könnten, werden immer seltener.
Das Parlament vom 10.10.1997 (überarbeitet)
In der nachfolgenden Schülerarbeit wird zu dem im Text angeführten Vorschlag Stellung genommen, das Wahlalter auf 16 oder gar 14 Jahre herabzusetzen, um das politische Interesse Jugendlicher zu fördern und um Ohnmachtsgefühle abzubauen (siehe Unterstreichung im Text).
Aufgaben:
2.1 Stellen Sie fest, von wo bis wo sich im Text jeder der vier Bausteine der Stellungnahme erstreckt.
Benennen Sie jeden Textbaustein. Welche der drei Varianten der Stellungnahme (Zustimmung, Ablehnung, Synthese) hat Andreas gewählt?
2.2 Suchen Sie nach alternativen Formulierungen, um die einzelnen Abschnitte (Bausteine) einzuleiten.
2.3 Untersuchen Sie den Ausgangstext in Bezug auf Textteile, die wörtlich oder sinngemäß in die Stellungnahme übernommen wurden.