Aufstand in der DDR – Der 17. Juni 1953

Aufgaben

  1. Informieren Sie sich in dem Darstellungstext über den groben Ablauf der Ereignisse. Bringen Sie mit diesem Wissen die folgenden Karteikarten in einen sinnvollen Zusammenhang.
  2. Vergleichen Sie diese Darstellung des westlichen Senders Rias Berlin mit dieser Darstellung aus dem DDR-Rundfunk. Benennen Sie Unterschiede in der Darstellungsweise, der Wirkung und der Interpretation der Ereignisse.
  3. Erarbeiten Sie aus dieser interaktiven Karte Brennpunkte der Auseinandersetzung.

Volksaufstand

Bundesarchiv B 145 Bild-F005191-0040, Berlin, Aufstand, sowjetischer Panzer

By Bundesarchiv, B 145 Bild-F005191-0040 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, Link

Um die ökonomische Entwicklung der DDR im Sinne einer sozialistischen Gesellschaft nach sowjetischem Vorbild zu beschleunigen erhöhte die Regierung der DDR den Druck auf die Bevölkerung. Noch mehr landwirtschaftliche und industrielle Betriebe wurden enteignet und zur Bildung von VEBs und LPGs gezwungen. Da viele Landwirte sich dem durch Flucht in den Westen entzogen, wurden die Versorgungsengpässe mit Lebensmitteln immer schlimmer. Auch die industrielle Konsumgüterproduktion funktionierte immer weniger, da der Staat seine Investitionen nur in den Aufbau der Schwer- und Schlüsselindustrie lenkte. Für Arbeiter wurden die Arbeitsnormen erhöht, was konkret einen Verlust an Einkommen bedeutete. Insgesamt sank der Lebensstandard immer mehr. Unzufriedenheit und Verweigerungshaltungen in der Bevölkerung versuchte die Regierung durch politisch motivierten Justizterror zu begegnen. Die Zahl der Strafgefangenen in der DDR stieg bis Juni 1953 auf 60 000 Personen (zum Vergleich: in der dreimal so großen BRD gab es zu dieser Zeit 40 000 Strafgefangene).
Dies wurde sogar der neuen sowjetischen Führung zu viel (Stalin war im März 1953 verstorben): Sie verlangte von den Regierenden der DDR ein öffentliches Eingeständnis von Fehlern und die Rücknahme einzelner Entscheidungen. Zentrale Probleme, wie z.B. die hohen Arbeitsnormen, blieben aber bestehen. So führte dieser „Neue Kurs“ nicht dazu, dass die Bürgerinnen und Bürger der DDR sich mit ihrer Regierung versöhnten, sondern dass sie den letzten Respekt vor einer Regierung verloren, die zwar die Probleme der eigenen Bevölkerung ignoriert, aber vor den Mächtigen in Moskau einknickt.
Am 16. Juni 1953 begann die Konfrontation zu eskalieren. Die Erhebung begann mit der Arbeitsniederlegung der Bauarbeiter auf der Stalin-Allee in Ost-Berlin, Vorzeige- und Prunkstraße der DDR. Zunächst entschlossen sich 80 Bauarbeiter, einen Protestmarsch zu veranstalten. Der Demonstration schlossen sich aber schnell Arbeiter umliegender Baustellen an, und bald bewegte sich ein Zug von 2000 Streikenden zum Haus der Ministerien. Unterwegs wuchs der Zug der Protestierenden auf 8000 bis 10000 an. Die Regierung, durch Rufe und Sprechchöre herausgefordert, versuchte, die Menge zu beruhigen. Ulbricht und Grotewohl zeigten sich nicht. Der Minister für Industrie, Fritz Selbmann, begann zu sprechen, kam aber kaum zu Wort. Aus dem Protestmarsch gegen die Normerhöhungen war längst ein Aufstand gegen das DDR-Regime geworden. Jedoch fehlte es der aufgebrachten Menge an einer klaren Zielsetzung und einer Führung, was den improvisierten und spontanen Charakter der Demonstration deutlich werden ließ.
Am 17.06.1953 erfasste der Aufstand weite Gebiete des Landes. Der Sender RIAS berichtete von ca. 400000 Menschen, die in 272 Städten der DDR auf die Straßen gingen. Ulbricht und Grotewohl flüchteten ins Hauptquartier der sowjetischen Streitkräfte nach Berlin-Karlshorst. Um 13.00 Uhr wurde in 167 Stadt- und Landkreisen das Kriegsrecht ausgerufen. In Ost-Berlin kam der gesamte Verkehr zum Erliegen. T-34-Panzer tauchten am Marx-Engels-Platz, Unter den Linden, im Regierungsviertel und schließlich am Potsdamer Platz auf. Die Volkspolizei erhielt Schießerlaubnis.
Mindestens 50 Menschen kamen bei dem Streik ums Leben. 20 Demonstranten wurden standrechtlich erschossen. 40 sowjetische Soldaten wurden hingerichtet, weil sie sich weigerten, auf die Arbeiter zu schießen. Auch nach dem 17.06.1953 griff die Partei- und Staatsführung äußerst hart gegen Demonstranten durch. Man wollte die eigene Sicherheit wiedergewinnen und neuen Gefahren vorbeugen. Außer der Terrorjustiz entwickelte sich eine interne Diskussion um die weitere Parteilinie. Nach der offiziellen Sprachregelung der DDR war der Volksaufstand vom 17. Juni eine vom Westen angezettelte “Konterrevolution”.
Die Haltung der Bundesregierung war während der Geschehnisse in Ostdeutschland von Passivität und Zurückhaltung gekennzeichnet. Dies hatte unterschiedliche Gründe und wurde auch unterschiedlich bewertet. Im Juli erklärte der Bundestag den 17. Juni als “Tag der deutschen Einheit”.

Rundfunk

Darstellung des westlichen Senders Rias Berlin:

RIAS Berlin DDR-Rundfunk
Inhalt:

Spontane Erhebung von Arbeitern

Radikalisierung durch brutale Repression der Staats- bzw. Besatzungsmacht

Forderungen: Faire Arbeitsbedingungen und Löhne, Freie Wahlen in ganz Deutschland

Inhalt:

Rechtsradikaler Putschversuch, der von US-amerikanischen Kräften initiiert und gesteuert wurde

Entschlossene Niederschlagung durch sowjetische Truppen diente der Friedenssicherung

Form:

Interview

(Scheinbar?) spontane Äußerungen von Beteiligten

Umgangssprachliche Wendungen

Authetizität und Emotionalität im Vordergrund

Form:

Kommentar

Durchwegs Schriftsprache

Ideologisch konforme Interpretation im Sinne der DDR-Regierung im Vordergrund

Exkurs: „Verschwörungstheorien“ in Ost und West

Aufgaben

  1. Analysieren und interpretieren Sie die Abbildungen.
  2. Diskutieren Sie Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu heutigen „Verschwörungstheorien“.

Auch in der Zeit des Kalten Krieges hatten „Verschwörungstheorien“ Hochkonjunktur. In der Regel dienten sie dazu, Verbindungen zwischen innenpolitischen Gegnern und dem außenpolitischen Feind zu konstruieren und damit Andersdenkende als Gefahr zu stigmatisieren. Im Folgenden finden Sie zwei beispielhafte Bildquellen dazu, die sich auf die Diskussion um die Wiederbewaffnung und auf den Aufstand vom 17. Juni beziehen.

Bildquellen: Buchcover von „Wer zog die Drähte? Der Juniputsch und seine Hintergründe“, Herausgegeben vom „Ausschuss für Deutsche Einheit“, Ostberlin, 1954, Museum in der „Runden Ecke“, B00084. Propagandaplakat aus der Bundesrepublik Deutschland, herausgegen vom Volksbund für Frieden und Freiheit e.V., Haus der Geschichte, Bonn.

Übungsaufgabe

Analysieren und interpretieren Sie die folgende Karikatur. Vergleichen Sie Ihre Überlegungen mit den Zwischenergebnissen, die erscheinen, wenn Sie auf die Fragezeichen klicken.

Bildquelle: Fedorow, Darstellung des 17. Juni 1953, „Krokodil“, 1953, nach: Geschichte in Karikaturen – Von 1848 bis zur Gegenwart, Stuttgart 1991, S. 172 – 173 (zitiert nach: https://www.lehrplanplus.bayern.de/sixcms/media.php/72/20170718_%20BOS_17%20Juni%201953_1.pdf)