Gleichförmige geradlinige Bewegung

Einführung

Bei einer langen monotonen Autobahnfahrt beobachten Sie die Kilometerschilder am Rand der Fahrbahn. Alle 500 Meter sehen Sie Zahlen wie 103,0; 103,5; 104,0 … Bei jeder Vorbeifahrt an einer dieser Marken lesen Sie auf Ihrer Uhr die zugehörigen Zeitpunkte ab. Sind die Zeitspannen zwischen diesen Zeitpunkten jeweils gleich groß, bezeichnet man die Fahrt als gleichförmig.

In diesem Kapitel soll die gleichförmige Bewegung von Körpern genauer untersucht werden.

Versuch 1: Versuchsbeschreibung

Auf einer waagrechten Luftkissenbahn wird ein Luftkissengleiter kurz angestoßen und sich dann selbst überlassen. Ein Gebläse sorgt dabei für eine nahezu reibungsfreie Auflage des Gleiters auf der Luftkissenbahn (über kleine Löcher wird Luft zwischen Gleiter und Bahn geblasen, es entsteht ein sogenanntes „Luftkissen“).

Der unvermeidliche Luftwiderstand des Gleiters zur Umgebungsluft kann vernachlässigt werden. Parallel zur Fahrbahnschiene ist ein Thermopapier eingespannt. Ein Zeitmarkengeber legt in konstanten Zeitabständen (hier 0,10 s) zwischen die Fahrbahn und die am Luftkissengleiter befestigte Metallspitze kurze Spannungsstöße (ca. 6,0 kV). Auf dem Thermopapier entsteht so jeweils ein schwarzer Punkt an der Stelle, an der sich der Wagen momentan befindet.

Versuch 1: Versuchsdurchführung

Versuch 1: Versuchsauswertung

Eine der Brandmarken wird zum Anfangspunkt O ernannt. Mit dem Lineal werden die erreichten Orte s gemessen und in die Tabelle eingetragen:

Als nächstes werden die zurückgelegten Wegstrecken \( \Delta\)s berechnet. Betrachtet man die zugehörigen gleichen Zeitabschnitte \( \Delta\)t (gleich im Rahmen der Messgenauigkeit), erkennt man die gleichförmige Bewegung. Auch die Quotienten \( \Delta\)s/\( \Delta\)t sind jeweils gleich.

Vom Ausgangspunkt O ausgehend wird in der doppelten (n-fachen) Zeit t der doppelte (n-fache) Weg s zurückgelegt:

s ist proportional zu t (s \(\sim\) t). Aus diesem Grund ist auch der Quotient \(\frac{s}{t}\) konstant.

Versuch 2: Versuchsbeschreibung

Die Versuchsdurchführung ist die gleiche wie in Versuch 1, der Wagen wird jedoch stärker angestoßen.

Versuch 2: Versuchsdurchführung

Versuch 2: Versuchsauswertung

Die Brandmarken haben nun bei gleich großen Zeitabschnitten \(\Delta\)t größere Abstände \(\Delta\)s voneinander. Die Quotienten \( \frac{\Delta s}{\Delta t} \) und \( \frac{s}{t} \) sind unter sich wieder gleich groß, aber größer als im Versuch 1 bei der langsamen Bewegung. Diese Quotienten werden Geschwindigkeit v genannt.

Versuch 2: Versuchsergebnisse

Definition:

Unter der Geschwindigkeit v einer gleichförmigen geradlinigen Bewegung versteht man den Quotienten aus der zurückgelegten Wegstrecke \(\Delta\)s und der dazu benötigten Zeitspanne \(\Delta\)t. War zum Zeitpunkt t = 0 noch kein Weg zurückgelegt (s = 0), gilt auch \( v = \frac{s}{t}\).

\( v=\frac{\Delta s}{\Delta t}\) bzw. \(v=\frac{s}{t}\)

Aus den Definitionsgleichungen folgt für die gleichförmige geradlinige Bewegung:

\( \Delta s=v \cdot \Delta t\) bzw. \(s=v \cdot t\)

Hinweis:

Bei komplizierteren Bewegungen, die nicht wie hier geradlinig verlaufen, spielt die Richtung der Bewegung eine entscheidende Rolle. An späterer Stelle werden wir dies berücksichtigen, indem wir die obigen Gleichungen in vektorieller Schreibweise formulieren.

Darstellung der Bewegungen im Diagramm

Die Messwerte in den Tabellen schwanken aufgrund unvermeidlicher Messfehler etwas. Deutlich wird dies auch bei der Darstellung der Werte im Diagramm.

Das Zeit-Orts-Diagramm (t-s-Diagramm)

In das Zeit-Orts-Diagramm werden die Messwerte aus den Tabellen zu den Versuchen 1 und 2 übernommen.

Im Ursprung O wird t = 0 und s = 0 festgesetzt. Von dort aus werden nicht etwa aufeinanderfolgende Messpunkte durch Geradenstücke verbunden. Ein derartiger Streckenzug wäre gewinkelt und würde nach einer weiteren Versuchsdurchführung ganz anders aussehen.

Vielmehr wird durch O eine Ursprungsgerade so gelegt, dass die Messpunkte zu beiden Seiten einen möglichst kleinen Abstand zur Geraden haben. Weitere Messpunkte würden die Gerade nun kaum verändern. Eine solche Gerade gleicht die Messfehler aus, man nennt sie Ausgleichsgerade.

Als Ursprungsgerade zeigt sie noch einmal den schon aus den Tabellen gewonnenen Zusammenhang, dass bei der gleichförmigen Bewegung in der n-fachen Zeitspanne der n-fache Weg zurückgelegt (s \(\sim\) t).

Die Ursprungsgerade für die schnellere Bewegung besitzt eine größere Steigung: Die Steigung im t-s-Diagramm ist ein Maß für die Geschwindigkeit der dargestellten Bewegung.

Das Zeit-Geschwindigkeits-Diagramm (t-v-Diagramm)

Im Zeit-Geschwindigkeits-Diagramm werden die berechneten Geschwindigkeiten aus Versuch 1 und 2 über die Zeit t aufgetragen.

Beim Ausgleich der Messfehler entstehen zwei horizontale Geraden. Sie entsprechen den konstanten Geschwindigkeiten \(v = 0,45 \frac{m}{s}\) bzw. \(v = 0,91 \frac{m}{s}\).

Am horizontalen Verlauf der Geraden im t-v-Diagramm erkennt man die gleichförmige Bewegung.

Interpretation der Fläche unter dem t-v-Diagramm

Ein LKW-Fahrtenschreiber hat das unten stehende t-v-Diagramm aufgezeichnet. Wir erkennen sofort, dass es sich bei der Bewegung des LKW nicht um eine gleichförmige Bewegung handelt, denn dazu müsste im t-v-Diagramm eine waagrechte Linie eingezeichnet sein. Obwohl wir bis jetzt nur die Gleichungen für die gleichförmige Bewegung gewonnen haben, werden wir mit ihrer Hilfe und einiger Überlegung in der Lage sein, die Gesamtstrecke, die der LKW zurückgelegt hat, zu ermitteln.

Zwischen den Zeitpunkten t1 = 0,60 h und t2 = 0,70 h fährt der LKW annähernd mit der konstanten Geschwindigkeit v = 70 km/h. Der Weg, der in diesem Zeitraum zurücklegt wird, berechnet sich mit der Gleichung \(\Delta\)s = v \(\cdot \Delta\)t = 70 km/h \( \cdot\) 0,10 h = 7,0 km. Bei genauerer Betrachtung kann man erkennen, dass die Operation v \(\cdot \Delta\)t der Flächenberechnung eines Rechteckes entspricht. v stimmt dabei mit der Höhe überein und \(\Delta\)t mit der Breite. Für die Berechnung der gesamten Strecke werden einfach für den gesamten Zeitraum von t0 = 0 h bis t3 = 1,2 h Rechtecke gebildet. Da die Geschwindigkeit des LKW aber auch zu- oder abnimmt, entstehen dabei Fehler. Diese Fehler werden umso kleiner, je schmäler die Streifen gewählt werden. Die Gesamtfläche stimmt bei immer schmäleren Streifen immer besser mit der tatsächlichen Fläche unter der Kurve überein. Für uns ist dabei wichtig, dass wir erkennen, dass die Gesamtfläche unter der Kurve der gesamten Strecke entspricht. Wie wir letztlich die Fläche ermitteln, bleibt uns überlassen. Eine Möglichkeit ist die, die Kästchen unter der Kurve zu zählen. In unserem Beispiel entspricht einem Kästchen die Strecke 125 m. Insgesamt zählt man ungefähr 486 Kästchen und damit eine Gesamtstrecke von ungefähr 61 km.