Lineare Gleichungssysteme
Überblick zu den Inhalten in diesem Kapitel
In diesem Kapitel lernen Sie,
- was ein Gleichungssystem ist,
- welche Grundbegriffe dabei eine wichtige Rolle spielen,
- eine vereinfachte Darstellung für Gleichungssysteme,
- die drei verschiedenen Arten von Lösungsmengen, die dabei auftreten können.
Erst in den danach folgenden Kapiteln werden Sie lernen, mit welchen Verfahren man die Lösungsmengen von linearen Gleichungssystemen ermitteln kann.
Wichtige Grundbegriffe im Zusammenhang mit Gleichungen\(\newcommand{\R}{{\rm I\!R}}\)
Was ist eine Gleichung?
Was ist eine Variable?
Was ist eine lineare Gleichung?
Was ist eine homogene bzw. inhomogene Gleichung?
Grundmenge für eine Gleichung mit einer Variablen
Grundmenge für eine Gleichung mit mehreren Variablen
Was ist eine Lösung einer Gleichung mit einer einzigen Variablen?
Was ist eine Gleichung ohne Lösung?
Was ist eine Lösung einer Gleichung mit mehreren Variablen?
Was ist die Lösungsmenge einer Gleichung?
Wichtige Begriffe im Zusammenhang mit Gleichungssystemen
Was ist ein Gleichungssystem?
Sobald mehrere Gleichungen vorliegen, die „gleichzeitig“ Aussagen über eine oder mehrere Variablen machen, so bezeichnet man die Gesamtheit aller vorliegenden Gleichungen als „Gleichungssystem“.
Die Gleichungen werden üblicherweise mit römischen Ziffern durchnummeriert (I, II, III, IV, V, …).
Beispiel:
\(\begin{align} \text{I)} && & 2x + y = z \\ \text{II)} && & – 2y = 3\ – 2x \\ \text{III)} && & 1\ – y\ – z = 0 \end{align}\)
Übliche Darstellungen von Gleichungssystemen
Für weitere Schritte erweist es sich als vorteilhaft,
- alle Terme mit Variablen alphabetisch nach links
- alle Konstanten nach rechts
- gleiche Variablen untereinander
zu sortieren.
Beispiel:
\(\begin{array}{rrrrl} \text{I)} & 2x &+ y & – z &= 0 \\ \text{II)} & 2x &- 2y & &= 3 \\ \text{III)} & &y & + z &= 1 \end{array}\)
Kompakte Darstellung als Matrix
Als Matrix bezeichnet man die tabellarische Darstellung aller wesentlichen Informationen eines Gleichungssystems.
Sie entsteht, indem von der vorherigen üblichen sortierten Darstellung
- die römischen Ziffern,
- alle Variablen und
- die Gleichheitszeichen
weggelassen werden.
Danach stehen
- die zur selben Variablen gehörenden Koeffizienten jeweils stets untereinander
- in der letzten Spalte nur die Konstanten der jeweiligen Gleichungen.
Anstelle der Gleichheitszeichen wird oft ein senkrechter Strich unmittelbar vor die letzte Spalte gesetzt.
Beispiel:
Die ausführliche Darstellung
\(\begin{array}{rrrrl} \text{I)} & 2x&+ y& – z &= 0 \\ \text{II)} & 2x&- 2y& &= 3 \\ \text{III)} & &y& + z &= 1 \end{array}\)
wird reduziert zur Matrix
\(\begin{array} {ccc|c} 2 & 1 & -1 & 0 \\ 2 & -2 & 0 & 3 \\ 0 & 1 & 1 & 1 \end{array}\)
Bei der Verwendung verschiedener Matrizen (Mehrzahl von Matrix), ist es üblich, die Matrix in Klammern zu setzen:
\(\left(\begin{array} {ccc|c} 2 & 1 & -1 & 0 \\ 2 & -2 & 0 & 3 \\ 0 & 1 & 1 & 1 \end{array}\right)\)
Was ist ein homogenes bzw. inhomogenes Gleichungssystem?
Setzt man für alle Variablen in allen Gleichung den Wert 0 ein, so ist das Gleichungssystem
- homogen, wenn dabei alle Gleichungen zu wahren Aussagen werden.
- inhomogen, wenn dabei alle Gleichungen zu falschen Aussagen werden.
Ein Gleichungssystem heißt folglich genau dann
- homogen, wenn alle darin enthaltenen Gleichungen homogen sind.
- inhomogen, sobald mindestens eine der darin enthaltenen Gleichungen nicht homogen ist.
In der Matrix-Darstellung erkennt man, dass ein Gleichungssystem
- homogen ist, wenn in der rechten Spalte nur Nuller stehen.
- inhomogen ist, wenn in der rechten Spalte mindestens eine Zahl steht, die nicht Null ist.
Beispiel:
Das Gleichungssystem
\(\begin{array}{rrrrl} \text{I)} & 2x&+ y& – z &= 0 \\ \text{II)} & 2x&- 2y& &= 3 \\ \text{III)} & &y& + z &= 1 \end{array}\)
ist inhomogen, denn in der Matrix-Darstellung
\(\begin{array} {ccc|c} 2 & 1 & -1 & 0 \\ 2 & -2 & 0 & 3 \\ 0 & 1 & 1 & 1 \end{array}\)
stehen in der rechten Spalte nicht nur Nuller.
Das Gleichungssystem
\(\begin{array}{rrrrl} \text{I)} & 3x&- 2y&+ z &= 0 \\ \text{II)} & 2x&+ 3y&- 4z &= 0 \\ \text{III)} & 5x &+ y&- 3z &= 0 \end{array}\)
ist homogen, denn in der Matrix-Darstellung
\(\begin{array} {ccc|c} 3 & -2 & 1 & 0 \\ 2 & 3 & -4 & 0 \\ 5 & 1 & -3 & 0 \end{array}\)
stehen in der rechten Spalte nur Nuller.
Was ist ein unterbestimmtes bzw. überbestimmtes Gleichungssystem?
Ein Gleichungssystem heißt
- unterbestimmt, wenn die Anzahl der Gleichungen kleiner als die Anzahl der vorkommenden Variablen ist.
- überbestimmt, wenn die Anzahl der Gleichungen größer als die Anzahl der vorkommenden Variablen ist.
In einem unterbestimmten Gleichungssystem liegen „zu wenige Informationen vor“, was die Chance erhöht, dass über eine der Variablen keine Aussage gemacht wird und somit beliebige Werte für diese Variable gewählt werden dürften.
In einem überbestimmten Gleichungssystem liegen „mehr Informationen als nötig“ vor, was die Chance erhöht, dass eine dieser Informationen „querschießt“ (also einer der anderen Informationen widerspricht).
Beispiel:
Das Gleichungssystem
\(\begin{array}{rrrrl} \text{I)} & 2x &- 3y &+ z &= 4 \\ \text{II)} & 3x &+ y &+ z &= -1\end{array}\)
ist unterbestimmt, denn es besitzt weniger Gleichungen als Variablen.
Das Gleichungssystem
\(\begin{array}{rrrl} \text{I)} & 2k &- 3m &= 8 \\ \text{II)} & k &+ 2m &= -3 \\ \text{III)} & – k &- 4m &= 7 \end{array}\)
ist überbestimmt, denn es besitzt mehr Gleichungen als Variablen.
Was ist die Grundmenge eines Gleichungssystems?
Treten in einem Gleichungssystem verschiedene Variablen auf, so muss für jede Variable geklärt werden, aus welcher Menge die Werte stammen dürfen, die für die Variablen eingesetzt werden dürfen.
Die Grundmenge listet jeweils alle Kombinationen der Werte für die verschiedenen Variablen in Form von Tupeln (geordneten Mengen, pro Variable jeweils ein Eintrag) auf, die eingesetzt werden dürfen, egal, ob durch das Einsetzen in ALLE VORLIEGENDEN GLEICHUNGEN gleichzeitig wahre oder falsche Aussagen entstehen.
Beispiel:
Ist für das Gleichungssystem
\(\begin{array}{rrrrl} \text{I)} & 2x\ &+ 2y &+ 3z &= 5 \\ \text{II)} & 5x\ &- 2y &+ z &= -4 \\ \text{III)} & 3x\ &+ 4y &- 2z &= -5 \end{array}\)
die Grundmenge \(G= {\rm I\!N}^3\) vorgegeben, so dürfen für die Variablen \(x\), \(y\) und \(z\) nur natürliche Zahlen eingesetzt werden.
So liegt z.B. das Tripel \((2; 1; 3)\) in \({\rm I\!N}^3\).
Aber die Tripel \((-1; \tfrac{1}{2}; 2)\) und \((2; 1; -1)\) liegen nicht in \({\rm I\!N}^3 ,\) da negative Zahlen und echte Brüche keine natürlichen Zahlen sind.
Was ist eine Lösung eines Gleichungssystems?
Ein Element aus der Grundmenge des Gleichungssystems ist nur eine Lösung des Gleichungssystems, wenn es eine Lösung von ALLEN zum Gleichungssystem gehörenden Gleichungen ist.
Es kann vorkommen, dass ein Gleichungssystem keine Lösung besitzt.
Beispiel:
Das Gleichungssystem
\(\begin{align} \text{I)} && 2\ x\ &&+ 2\ y &&+ 3\ z &= 5 \\ \text{II)} && 5\ x\ &&- 2\ y &&+ \ z &= -4 \\ \text{III)} && 3\ x\ &&+ 4\ y &&- 2\ z &= -5 \end{align}\)
mit der Grundmenge \(G= \R^3\) besitzt die Lösung \((-1; \tfrac{1}{2}; 2)\), denn für \(x=-1\), \(y=\tfrac{1}{2}\) und \(z=2\) werden alle 3 Gleichungen zu wahren Aussagen:
\(\begin{align} \text{I)} && 2\cdot (-1)\ &&+ 2\cdot\tfrac{1}{2} &&+ 3\cdot 2 &= 5 \\ \text{II)} && 5\cdot (-1)\ &&- 2\cdot\tfrac{1}{2} &&+ \ 2 &= -4 \\ \text{III)} && 3\cdot (-1)\ &&+ 4\cdot\tfrac{1}{2} &&- 2\cdot 2 &= -5 \end{align}\)
Was ist eine Lösungsmenge eines Gleichungssystems?
Fasst man alle Lösungen des Gleichungssystems in einer Menge zusammen, so wird diese Menge als Lösungsmenge \(L\) des Gleichungssystems bezeichnet.
Wenn ein Gleichungssystem keine Lösung besitzt, so ist die Lösungsmenge die sog. leere Menge, also \(L = \{\ \}\).
Für die Anzahl der Lösungen, die in der Lösungsmenge \(L\) aufgelistet sind, gibt es die Schreibweise \(|L|\). Man liest diese Schreibweise mit den Worten „Mächtigkeit von \(L\)“.
- Die Schreibweise \(|L|=0\) bedeutet, dass die Lösungsmenge leer ist.
- Die Schreibweise \(|L|=1\) bedeutet, dass das Gleichungssystem genau eine einzige Lösung besitzt.
- Die Schreibweise \(|L|=\infty\) bedeutet, dass das Gleichungssystem unendlich viele Lösungen besitzt.
Beispiele:
a) Das Gleichungssystem
\(\begin{array}{rrrrl}\text{I)} & 2x & +y & -z & =1 \\ \text{II)} & x & {} & +2z & =0 \\ \text{III)} & 3x & +y & +z & =2 \\ \end{array}\)
mit \(G= \R^3\) besitzt die Lösungsmenge \(L=\{\ \}\).
b) Das Gleichungssystem
\(\begin{array}{rrrrl} \text{I)} & x & +y & {} & =0 \\ \text{II)} & {} & y & +z & =0 \\ \text{III)} & x & {} & +z & =0 \\ \end{array}\)
mit \(G= \R^3\) besitzt die Lösungsmenge \(L=\{(0; 0; 0)\}.\)
Bemerkung:
Die Lösung \((0; 0; 0)\) heißt auch triviale Lösung.
c) Das Gleichungssystem
\(\begin{array}{rrrrl} \text{I)} & 2x & +y & -z & =0 \\ \text{II)} & 2x & +2y & {} & =0 \\ \text{III)} & {} & -y & -z & =0 \\ \end{array}\)
mit \(G= \R^3\) besitzt die Lösungsmenge \(L=\{(x; – x; x)\ |\ x\in \R \}.\)