Metallische Werkstoffe

Werkstoffkennwerte

Aus dem Spannungs-Dehnungs-Diagramm, das mit Hilfe des Zugversuches gewonnen wird, lassen sich eine Reihe von Werkstoffkennwerten über die Eigenschaften des Probenmaterials gewinnen, die beispielsweise bei Festigkeitsberechnungen und Bauteile-Dimensionierungen verwendet werden.

Kennwert des plastischen Bereiches

Das Maximum der Spannungs-Dehnungs-Kurve gibt die mit Zugfestigkeit Rm bezeichnete Spannung an. Wenn ein Werkstoff eine Zugfestigkeit von R= 350 N/mm2 aufweist, ist es unmöglich, diesen Werkstoff mit einer höheren Spannung als 350 N/mm2 zu belasten; er zerreißt. Dieser Wert bedeutet demnach, dass ein Stab aus diesem Werkstoff mit 1 mm2 Querschnittsfläche mit einer Kraft von maximal 350 N belastet werden kann, ein Stab mit 2 mm2 mit 700 N usw. Natürlich muss dieser Wert in einer technischen Konstruktion aus Sicherheitsgründen deutlich unterschritten werden.

In der nachfolgenden Tabelle sind die Zugfestigkeiten einiger Werkstoffe zusammengestellt. In der Regel können die Zugfestigkeiten nur als „von … bis“-Werte angegeben werden, da sie sich durch geeignete Maßnahmen in weiten Grenzen bei ein und demselben Werkstoff verändern lassen.

Werkstoffgruppe  Werkstoffe Zugfestigkeit in N/mm2
Metalle  Hochfeste Stähle
Titanlegierungen
Stahl
Aluminiumlegierungen
1200 – 2000
400 – 1100
350 – 750
300 – 700
Keramische Werkstoffe Glas
Porzellan
30-90
15 – 45
Kunststoffe Polyvinylchlorid
Polystyrol
45 – 60
40 – 60
Verbundwerkstoffe Kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff
Stahlbeton
Glasfaserverstärkter Kunststoff
640 – 670
400 – 450
100 – 300

Die Tabelle zeigt die hohen Zugfestigkeiten der Metalle gegenüber den den Werkstoffen aus den anderen Werkstoffgruppen.

Kennwert des elastischen Bereiches

Im elastischen Bereich, den jeder Werkstoff bei geringer Belastung zeigt, besteht zwischen Spannung und Dehnung in der Regel eine direkte Proportionalität (Ursprungsgerade im Diagramm): sigma varepsilon. Mit Hilfe des Proportionalitätsfaktor E erhält man daraus das Hooke’sche Gesetz

sigma = E·varepsilon

Dabei wird E Elastizitätsmodul oder kurz E-Modul genannt.

In das Hooke’sche Gesetz muss die Dehnung e einheitenfrei, darf also nicht in %, eingesetzt werden. Man sieht nun, dass damit E die gleiche Einheit bekommt wie die Spannung sigma, nämlich N/mm2 (zweckmäßiger: kN/mm2). Obwohl nun Rm und E die gleiche Einheit haben, bestehen zwischen ihnen sonst keine Gemeinsamkeiten. Der E-Modul ist nichts anderes als der Steigungsfaktor für die Usprungsgerade (oder Hooke’sche Gerade) im Spannungs-Dehnungs-Diagramm. Man erhält E am einfachsten, indem man ein
(varepsilonsigma)-Wertepaar auf der Hooke’schen Geraden abliest und E gemäß E = sigma /varepsilon  berechnet.

Ein großer E-Modul bedeutet eine steile Hooke’sche Gerade, d.h., man muss in einem solchen Fall viel Kraft aufwenden, um auch nur eine kleine Dehnung des Materials zu erreichen. Damit ist klar, der E-Modul ist ein Maß für den Widerstand eines Werkstoffes gegen elastische Verformung. Er bringt die Steifigkeit eines Materials zum Ausdruck.

Je kleiner der E-Modul, desto leichter lässt sich der Werkstoff elastisch verformen.

Werkstoffgruppe  Werkstoffe E-Modul in kN/mm2
Metalle  Wolfram
Stahl
Titanlegierungen
Aluminiumlegierungen
410
200
110
70
Keramische Werkstoffe Diamant
Glas
Beton
1000
75
40
Kunststoffe Polystyrol
Polyvinylchlorid
3
2
Verbundwerkstoffe Kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff
Glasfaserverstärkter Kunststoff
70 – 270
10 – 45

Die Tabelle zeigt die hohen Werte der Metalle und die geringe Steifigkeit der Kunsts

Die Tabelle zeigt die hohen Werte der Metalle und die geringe Steifigkeit der Kunststoffe. Stahl hat einen um Faktor 100 höheren E-Modul als PVC. Das bedeutet theoretisch, dass – gleiche Abmessungen vorausgesetzt – bei gleicher Dehnung Stahl mit der 100-fachen Kraft im Vergleich zu PVC belastet werden kann. Wegen des hohen E-Moduls fällt die Hooke’sche Gerade für Stahl auch fast mit der Spannungsachse des Diagramms zusammen.

Der E-Modul von Stahl ist leicht zu merken: E = 200 kN/mm2.

Dazu ein Zahlenbeispiel: An ein 5 m langes Stahlseil mit einen Durchmesser von 20 mm wird ein 5 Tonnen schweres Gewicht gehängt. Um wie viele Millimeter wird dadurch das Stahlseil verlängert? Das Erstaunliche: Wir brauchen keine weiteren Angaben als den gemerkten E-Modul für Stahl, um diese Aufgabe zu lösen.

Gewichtskraft: F = mg = 5·103 kg · 9,81 m/s2 = 4,91 · 104 N

Querschnitt des Seiles: s0 = r· p = (10 mm)2 p = 3,14 · 102 mm2

Spannung im Seil:  sigma = F/s0 = 4,91 · 104 N / 3,14 · 102 mm2 = 1,56 · 102 N/mm2

Dehnung: sigma = E · varepsilon  varepsilon = sigma/E = (1,56·102 N/mm2) / (200 · 103 N/mm2)  = 7,8 · 10-4 = 0,078%

Verlängerung: varepsilon = DeltaL/L0 → DeltaL = varepsilon · L0 = 7,8 ·10-4 · 5 · 103 mm = 3,9 mm

Das 5 m lange Stahlseil verlängert sich also nur um rund 4 mm. Dies zeigt die Steifigkeit des Stahles. Nach Entlastung geht diese Dehnung wieder zurück, da sie nur im elastischen Bereich stattfindet.

Gegenüberstellung: Elastische und plastische Formänderung

elastische Formänderung  plastische Formänderung
Die elastische Formänderung geht bei Entlastung vollständig zurück; sie ist reversibel. Die plastische Formänderung erfolgt oberhalb der Elastizitätsgrenze. Der plastische Anteil an der Gesamtformänderung geht bei Entlastung nicht mehr zurück; er ist irreversibel.
Es besteht eine lineare Beziehung zwischen Spannung und Dehnung:
das Hooke’sches Gesetz: sigma = E * varepsilon,
wobei E der Elastizitätsmodul ist
(wichtige Materialkonstante).
Es besteht eine nichtlineare Spannungs-Dehnungs-Kurve im plastischen Bereich.
Elastische Dehnung zeigt jeder Festkörper; meist sehr kleine Dehnung (unter 1%, Ausnahme: Gummi). Spröde Festkörper (z.B. keramische Soffe) lassen keine plastische Formänderung zu; sie gehen beim Überschreiten des elastischen Bereiches zu Bruch.