Metallische Werkstoffe

Der Zugversuch

Um festzustellen, inwieweit ein gegebener Werkstoff bestimmten Beanspruchungen standhält, führt man mit einer Probe dieses Werkstoffes ein auf die Beanspruchungsart abgestimmtes Prüfverfahren durch. Das wichtigste Prüfverfahren für die Ermittlung der Festigkeit eines Werkstoffes ist der Zugversuch.

Unter Festigkeit wird die Widerstandsfähigkeit eines Werkstoffes oder Bauteils gegen Formänderung bzw. Bruch verstanden.

Beim Zugversuch wird ein Probekörper stoßfrei und gleichmäßig gedehnt, bis er zerreißt. Daraus gewinnt man wichtige Werkstoffkennwerte des Probenmaterials. Da diese Kennwerte für die Sicherheit technischer Konstruktionen von großer Bedeutung sind, muss sichergestellt sein, dass verschiedene Prüfstellen beim gleichen Werkstoff unabhängig voneinander zu vergleichbaren Messergebnissen kommen. Deshalb sind die Probenherstellung, die Durchführung und Auswertung des Zugversuchs im einschlägigen Regelwerk des DIN genormt.

Der Zugversuch wird mit Probestäben durchgeführt, wobei bestimmte Verhältnisse (Proportionen) bei den sonst beliebigen Abmessungen der Probestäbe eingehalten werden müssen. Bei manchen Werkstoffen, insbesondere bei Kunststoffen, werden Flachproben, d.h., Proben mit rechteckigem Querschnitt, verwendet.

Die Zugprüfmaschine, in die der Probestab eingespannt wird, besitzt eine Kraftmessvorrichtung und die Möglichkeit den Längenzuwachs zu messen, um den der Probestab gedehnt wird. Während des Versuchs werden damit fortlaufend die aufgebrachte Zugkraft F und der dadurch hervorgerufene Verlängerung DL des Probestabes gemessen oder mit einem Schreiber registriert.

Statt der Kraft trägt man im Diagramm (s.o.) an der vertikalen Achse die Spannung auf, die den Formelbuchstaben sigma (Sigma) und die Einheit N/mm2 besitzt. Ebenso verwendet man statt der Verlängerung des Probestabes auf der waagrechten Achse des Diagramms die Dehnung epsilon (Epsilon). Diese beiden Größen sind folgendermaßen definiert:

Mit Ausgangsquerschnitt ist die Querschnittsfläche des Probestabes vor der Prüfung gemeint, ebenso ist die Ausgangslänge die Länge des Probstabes vor dem Zugversuch. Spannung und Dehnung sind damit bezogenen Größen: So gibt die Dehnung an, wie groß die Zugkraft pro mm2 ihrer Querschnittsfläche ist. Die Dehnung gibt an, um welche Bruchteil seiner Ausgangslänge sich der Probestab aufgrund der angreifenden Zugkraft dehnt. Multipliziert man diese Zahl mit 100 %, so hat man die prozentuale Längenzunahme des Probestabes.

Das Spannungs-Dehnungs-Diagramm

Mit Einführung der Größen Spannung statt Kraft und Dehnung anstelle von Verlängerung erhält man als Messergebnis des Zugversuches das sog. Spannungs-Dehnungs-Diagramm, aus dem sich wichtige Eigenschaften über den betreffenden Werkstoff ablesen lassen.

Der Kurvenverlauf zeigt typischerweise zwei Abschnitte (s. Abb.):

Zum einen den vom Nullpunkt ausgehenden linearen Anstieg (Ursprungsgerade). Wird die Zugkraft an irgendeiner Stelle auf der Gerade weggenommen, so „federt“ der Probestab auf seine Ausgangslänge zurück (reversibles Verhalten). Man nennt diesen Bereich deshalb den elastischen. Zum anderen den nichtlinearen (gebogenen) Teil der Kurve. Nimmt man in diesem Bereich die Zugkraft weg, so geht der Probestab nicht mehr auf seine Ausgangslänge zurück; er ist bereits irreversibel verformt. Diese bleibende Formänderung kommt durch das plastische Fließen des Materials zustande. Deshalb heißt der nichtlineare Teil der Kurve plastischer Bereich.

Diejenige Spannung auf der Kurve, an welcher der Übergang vom elastischen in den plastischen Bereich stattfindet, nennt man Elastizitätsgrenze.

Jenseits dieser Elastizitätsgrenze (im plastischen Bereich) steigt die Spannungs-Dehnungs-Kurve in der Regel zunächst weiter an, d.h., man muss mehr Kraft aufwenden, um weitere Dehnung zu erreichen. Die Festigkeit des Werkstoffes wächst also mit zunehmender Dehnung. Diese wichtige Sicherheitsreserve eines Materials kommt – insbesondere bei Metallen – durch Kaltverfestigung zustande.

Schließlich mündet die Kurve in einem Maximum, hier haben wir die größte Zugfestigkeit, die das Material aushalten kann. Danach kann mit geringerem Kraftaufwand (die Kurve geht wieder nach unten) weiter gedehnt werden. Dies ist auf die nun beginnende und den Bruch vorbereitende Einschnürung des Probestabes zurückzuführen. Die Einschnürung des Stabes nimmt weiter bis zum Bruch des Restquerschnittes zu; hier endet die Kurve.