Die Normalenform der Ebenengleichung
Erinnerung: Die Parameterform einer Ebenengleichung
In einem früheren Kapitel haben Sie erfahren, dass eine Ebene im 3-dimensionalen Raum auf verschiedene Weisen durch eine Gleichung beschrieben werden kann. Die vektorielle Gleichungsform beschreibt alle Ebenenpunkte dadurch
- dass sie angibt, wie die Ortsvektoren dieser Punkte ermittelt werden können.
- Dazu müssen die Werte von 2 Parametern gewählt und an entsprechender Stelle eingesetzt werden.
Deshalb heißt diese Form der Ebenengleichung auch „Parameterform“.\(\require{color}\definecolor{energy}{RGB}{114,0,172}\definecolor{darkorange}{RGB}{255,102,0}\newcommand{\R}{{\rm I\!R}} \newcommand{\vvv}[3]{\left(\begin{array}{c} {#1}\\[-1em]{#2}\\[-1em]{#3} \end {array}\right) }\newcommand{\vv}[2]{\left(\begin{array}{c} {#1}\\[-1em] {#2} \end {array}\right) }\renewcommand{\vec}[2][black]{{\color{#1}{\overrightarrow{#2}}}}\newcommand{\MMM}[3]{\left(\begin{array}{rrr|r} #1\\ #2\\ #3\end{array}\right)}\)
Parameterform der Ebenengleichung
Sind von einer Ebene \(\require{AMSmath}\)\(E\) ein Punkt \(A\) und zwei Richtungsvektoren \(\vec{r_1}\) und \(\vec{r_2}\) bekannt, so kann man jeden Punkt \(X(x_1|x_2|x_3)\), der in der Ebene \(E\) liegt, durch seinen Ortsvektor \(\vec{OX}\) \(= \vvv{x_1}{x_2}{x_3}\) beschreiben, und zwar auf folgende Art und Weise:
Man findet zu jedem Punkt \(X\) der Ebene \(E\) jeweils eindeutige Werte für die Parameter \(s\in \R\) und \(t\in \R\), so dass gilt:
\(\vec{OX}\) = \(\vec{OA} + s\cdot \vec{r_1} + t\cdot \vec{r_2}\).
Diese Gleichung ist eine Ebenengleichung in Parameterform.
Beispielaufgaben
Aufgabe 1
Gegeben sind die Punkte \(A({-2}|0|4)\), \(B({-1}|3|5)\) und \(C(0|1|4)\), die alle in einer gemeinsamen Ebene \(E\) liegen.
Zeigen Sie, dass die Ebene \(E\) eindeutig durch die Punkte \(A\), \(B\) und \(C\) festgelegt ist, und ermitteln Sie eine Ebenengleichung der Ebene \(E\) in Parameterform.
Aufgabe 2
Ausblick: Wozu noch eine Form der Ebenengleichung?
Es gibt eine weitere Darstellungsform von Ebenengleichungen, nämlich die sog. Normalenform. Es handelt sich dabei um eine äußerst nützliche Zwischenstufe bei der Umrechnung der Parameterform zur Koordinatenform (und umgekehrt) von Ebenengleichungen:
Parameterform \(\quad\longleftrightarrow\quad\) Normalenform \(\quad\longleftrightarrow\quad\) Koordinatenform
Außerdem erlaubt die Normalenform der Ebenengleichung für verschiedenste Aufgaben die allgemeine Darstellung von Lösungen (also solange noch keine konkreten Werte vorliegen) und elegante Eingabemöglichkeiten in Computer-Algebra-Systemen.
Von der Parameterform zur Normalenform der Ebenengleichung
Von einer Ebene \(\color{blue}E\) sind
- ein Punkt \(\color{magenta}A\) und
- die beiden Richtungsvektoren \(\vec[blue]{r_1}\), \(\vec[blue]{r_2}\)
bekannt.
Wir ermitteln einen Normalenvektor \(\vec[darkorange]{n_E}\) der Ebene \(\color{blue}E\) (z.B. mithilfe des Kreuzprodukts \(\vec[darkorange]{n_E}=\vec[blue]{r_1}\times\vec[blue]{r_2}\) ) und zeichnen einen Repräsentanten von \(\vec[darkorange]{n_E}\) an den Punkt \(\color{magenta}A\).
Nun wählen nun beliebige Punkte \(\color{energy}P\)
- die in \(\color{blue}E\) liegen
- bzw. die NICHT in \(\color{blue}E\) liegen,
und beobachten jeweils
- den Verbindungspfeil \(\vec[brown]{AP}\) von \(\color{magenta}A\) zu \(\color{energy}P\)
- und den Winkel zwischen \(\vec[brown]{AP}\) und \(\vec[darkorange]{n_E}\).
Beobachtung
- Wenn \(\color{energy}P\) in der Ebene \(\color{blue}E\) liegt, dann ist \(\vec[darkorange]{n}\) senkrecht zu \(\vec[brown]{AP}\).
- Wenn \(\color{energy}P\) nicht in der Ebene \(\color{blue}E\) liegt, dann ist \(\vec[darkorange]{n}\) NICHT senkrecht zu \(\vec[brown]{AP}\).
Formulierung mithilfe des Skalarprodukts
Ein Punkt \(X\) liegt genau dann in der Ebene \(E\), wenn \(\overrightarrow{n_E}\perp\overrightarrow{AX}\) ist, also wenn \(\overrightarrow{n_E} \cdot\overrightarrow{AX}=0\) gilt.
Durch die Gleichung \(\overrightarrow{n_E}\cdot\overrightarrow{AX}=0\) wird also eindeutig bestimmt, welche Punkte zur Ebene \(E\) gehören.
Da \(\overrightarrow{AX} = \overrightarrow{OX}\,{-}\,\overrightarrow{OA}\) ist, können wir die Gleichung auch in dieser Form schreiben:
\(\overrightarrow{n_E}\cdot (\overrightarrow{OX}\,{-}\,\overrightarrow{OA})=0\).
Definition
Normalenform der Ebenengleichung
Ist \(A\) ein Punkt der Ebene \(E\) und \(\overrightarrow{n_E}\) ein Normalenvektor von \(E\), so liegt ein Punkt \(X\) genau dann in der Ebene \(E\), wenn gilt:
\(\overrightarrow{n_E}\cdot (\overrightarrow{OX}\,{-}\,\overrightarrow{OA})=0\).
Die Ebene \(E\) wird durch diese Gleichung eindeutig bestimmt, darf also als Ebenengleichung bezeichnet werden.
Diese Ebenengleichung
- liegt in der sog. Normalenform vor.
- heißt auch Normalengleichung der Ebene.
Verschiedene Darstellungsformen von Normalengleichungen
Vollkommen gleichwertig (äquivalent) sind die umgeformten Darstellungen der Normalengleichung:
- \(\overrightarrow{n_E}\cdot (\overrightarrow{OX}\,{-}\,\overrightarrow{OA})=0\)
- \(\overrightarrow{n_E}\cdot \overrightarrow{OX}\,{-}\,\overrightarrow{n_E}\cdot\overrightarrow{OA}=0\)
- \(\overrightarrow{n_E}\cdot \overrightarrow{OX} = \overrightarrow{n_E}\cdot \overrightarrow{OA}\)
Beispielaufgabe
Gegeben ist die Ebene \(E\) durch die Parametergleichung \(\vec{OX} = \vvv{-2}{0}{4} + s\cdot \vvv{1}{3}{1} + t\cdot \vvv{2}{1}{0}\), \(s, t \in \R \).
Gesucht ist eine Normalengleichung der Ebene \(E\).
Von der Normalenform zur Koordinatenform der Ebenengleichung
Ist \(\overrightarrow{n_E}\cdot \vec{OX} = \vec{n_E}\cdot \vec{OA}\) eine Normalenform einer Ebenengleichung, so ist es naheliegend, die Skalarprodukte so weit wie möglich zu vereinfachen. Mit \(\vec{n_E}\) \(= \vvv{n_1}{n_2}{n_3}\), \(\overrightarrow{OX}\) \(= \vvv{x_1}{x_2}{x_3}\) und \(\overrightarrow{OA}\) \(= \vvv{a_1}{a_2}{a_3}\) können wir schreiben:
\(\vvv{n_1}{n_2}{n_3}\cdot\vvv{x_1}{x_2}{x_3}\) \(= \vvv{n_1}{n_2}{n_3}\cdot\vvv{a_1}{a_2}{a_3}\)
Nach der Auswertung der Skalarprodukte erhalten wir:
\(n_1\cdot x_1 + n_2\cdot x_2 + n_3\cdot x_3 = c\), wobei die Konstante \(c\) den Wert \(\vvv{n_1}{n_2}{n_3}\cdot\vvv{a_1}{a_2}{a_3}\) hat.
Das ist offenbar eine Ebenengleichung in Koordinatenform.
Beispielaufgabe
Gegeben ist die Ebene \(E\) durch die Parametergleichung \(\vec{OX} = \vvv{-2}{0}{4} + s\cdot \vvv{1}{3}{1} + t\cdot \vvv{2}{1}{0}\), \(s, t \in \R\).
Gesucht ist eine Koordinatengleichung der Ebene \(E\).
Aufgabe
In dem folgenden Geogebra-Applet können Sie sich zufällige Ebenen vorgeben lassen, zu denen Sie dann jeweils selber eine mögliche Koordinatengleichung ermitteln sollen. Sie können die von Ihnen ermittelte Koordinatengleichung in dem Applet eingeben und auf Richtigkeit überprüfen lassen.
Es werden jeweils nur 3 Punkte der Ebene angegeben, aber Sie können sich auch sofort eine mögliche Parameterform, eine mögliche Normalenform oder auch eine mögliche Koordinatenform der Ebenengleichung angeben lassen und mit Ihren Ergebnissen vergleichen.
Von der Koordinatenform zur Normalenform der Ebenengleichung
Von einer Ebene \(E\) liegt eine Ebenengleichung in Koordinatenform vor:
\(E\mbox{:}\ k_1\cdot x_1 + k_2\cdot x_2 + k_3\cdot x_3 = d\).
Das Ziel ist nun, eine Normalenform der Ebenengleichung zu ermitteln.
Beispiel:
\(E\mbox{:}\ 2\cdot x_1 + 3\cdot x_2\ -\ x_3 = 4\)
Schritt 1
Der Term auf der linken Seite der Gleichung ist das Skalarprodukt der Vektoren \(\vvv{k_1}{k_2}{k_3}\) und \(\vvv{x_1}{x_2}{x_3}\).
Also können wir die Ebenengleichung in der Form \(\underbrace{\vvv{k_1}{k_2}{k_3}}_{\vec{k}}\cdot \underbrace{\vvv{x_1}{x_2}{x_3}}_{\vec{OX}} = d\) darstellen.
Oder noch kürzer: \(\vec{k}\cdot\vec{OX} = d\).
Beispiel
\(E\mbox{:}\ 2\cdot x_1 + 3\cdot x_2\ -\ x_3 = 4\)
\(\vvv{2}{3}{-1}\cdot \vvv{x_1}{x_2}{x_3} = 4\)
\(\vec{k} = \vvv{2}{3}{-1}\) \(\quad\Rightarrow\quad\vec{k}\cdot\vec{OX}=4\)
Schritt 2
Wir ermitteln einen konkreten Punkt der Ebene \(E\) , indem wir
- 2 Koordinaten dieses Punkts möglichst einfach wählen und
- die fehlende 3. Koordinate mithilfe der Ebenengleichung berechnen.
Diesen Punkt verwenden wir als Aufhängepunkt der Ebene \(E\) – er wird hier mit \(A\) bezeichnet.
\(A\) liegt in der Ebene \(E\), also gilt \(\vec{k}\cdot\vec{OA}=d\).
Beispiel
\(E\mbox{:}\ 2\cdot x_1 + 3\cdot x_2\ -\ x_3 = 4\)
Wähle \(x_1 = 0\) und \(x_2 = 0\):
\(2\cdot 0 + 3\cdot 0\ -\ x_3 = 4\) \(\quad\Rightarrow\quad x_3 =\ – 4\)
\(\Rightarrow\quad A(0|0| {-4} )\in E\)
Folgerung aus Schritt 1 und Schritt 2
Da \(\vec{k}\cdot\vec{OX} = d\) und \(\vec{k}\cdot\vec{OA} = d\) gilt, kann man die Koordinatengleichung
\( \underbrace{k_1\cdot x_1 + k_2\cdot x_2 + k_3\cdot x_3}_{\vec{k}\cdot\vec{OX}} = \underbrace{d}_{\vec{k}\cdot\vec{OA}}\)
auch in der Form \(\vec{k}\cdot\vec{OX} = \vec{k}\cdot\vec{OA}\) schreiben.
Das sieht bereits wie eine Normalengleichung aus, aber ist \(\vec{k}\) wirklich ein Normalenvektor der Ebene \(E\) ?
Beispiel
\(E\mbox{:}\ 2\cdot x_1 + 3\cdot x_2\ -\ x_3 = 4\)
Mit \(\vec{k} = \vvv{2}{3}{-1}\), \(\vec{OA} = \vvv{0}{0}{-4}\):
\(\Rightarrow\quad E\mbox{:}\vec{k}\cdot\vec{OX} = \vec{k}\cdot\vec{OA}\)
\(\Rightarrow\quad E\mbox{:}\vvv{2}{3}{-1}\cdot \vvv{x_1}{x_2}{x_3}\) \(= \vvv{2}{3}{-1}\cdot \vvv{0}{0}{-4}\)
Aufgabe
Begründen Sie, warum es sich bei dem Vektor \(\vec{k}\) tatsächlich um einen Normalenvektor der Ebene \(E\) handelt.
Von der Normalenform zur Parameterform der Ebenengleichung
Von einer Ebene \(E\) liegt eine Normalengleichung in Koordinatenform vor:
\(\vec{n}\cdot\vec{OX} = \vec{n}\cdot\vec{OA}\)
Beispiel
\(\vvv{3}{4}{0}\cdot \vvv{x_1}{x_2}{x_3}\) \(= \vvv{3}{4}{0}\cdot \vvv{2}{1}{-2}\)
Das Ziel ist nun, eine Parameterform der Ebenengleichung zu ermitteln. Wir müssen also
- einen Aufhängevektor und
- zwei Richtungsvektoren
von \(E\) finden.
Schritt 1
Aus der Gleichung \(\vec{n}\cdot\vec{OX} = \vec{n}\cdot\vec{OA}\) können wir sofort
- den Ortsvektor \(\vec{OA}\) ablesen und verwenden ihn als Aufhängevektor für die Parametergleichung.
- einen Normalenvektor \(\vec{n}\) ablesen, um daraus 2 linear unabhängige Richtungsvektoren von \(E\) zu „basteln“.
Beispiel
\(\vvv{3}{4}{0}\cdot \vvv{x_1}{x_2}{x_3}\) \(= \vvv{3}{4}{0}\cdot \vvv{2}{1}{-2}\)
\(\vec{OA} = \vvv{2}{1}{-2}\), \(\vec{n} = \vvv{3}{4}{0}\)
Schritt 2
In einem der vorherigen Kapitel haben wir gesehen, dass man einen zu \(\vec{n}\) senkrechten Vektor findet, indem man den Vektor \(\vec{n}\) hernimmt,
- eine Koordinate durch 0 ersetzt,
- die beiden anderen Koordinaten vertauscht
- und eine der beiden vertauschten mit \(\color{green}-1\) multipliziert.
Dabei darf natürlich nicht der Nullvektor entstehen.
Beispiel: \(\vec{n} = \vvv{3}{4}{0}\)
0 in 1. Zeile: \(\vec{r_1} = \vvv{{\color{red}0}}{{\color{green}-1}\cdot 0}{4}= \vvv{{\color{red}0}}{{\color{green}0}}{4}\),
0 in 2. Zeile: \(\vec{r_2} = \vvv{{\color{green}-1}\cdot 0}{{\color{red}0}}{3}= \vvv{{\color{green}0}}{{\color{red}0}}{3}\),
0 in 3. Zeile: \(\vec{r_3} = \vvv{4}{ {\color{green}-1}\cdot 3}{{\color{red}0}}=\vvv{4}{{\color{green}-3}}{{\color{red}0}}\)
ACHTUNG:
Wir müssen aufpassen, dass die beiden Vektoren, die wir als Richtungsvektoren verwenden wollen, linear unabhängig sind!
\(\vec{r_1}\) und \(\vec{r_2}\) sind in diesem Fall offenbar linear abhängig.
Bei \(\vec{r_1}\) und \(\vec{r_3}\) steht jeweils eine Null in der Zeile, in der bei dem anderen Vektor keine Null steht.
\(\vec{r_1}\) und \(\vec{r_3}\) können also keine Vielfachen voneinander sein und sind somit linear unabhängig.
Folgerung aus Schritt 1 und Schritt 2
Aus dem Aufhängevektor \(\vec{OA}\) und den beiden linear unabhängigen Richtungsvektoren \(\vec{r_{E_1}}\) und \(\vec{r_{E_2}}\) können wir nun die Parameterform der Ebenengleichung zusammensetzen:
\(E\mbox{: } \vec{OX} = \vec{OA} + k\cdot\vec{r_{E_1}}+ \ell\cdot\vec{r_{E_2}}\)
Beispiel
\(\vvv{3}{4}{0}\cdot \vvv{x_1}{x_2}{x_3}\) \(= \vvv{3}{4}{0}\cdot \vvv{2}{1}{-2}\)
\(\Rightarrow\ \ E\mbox{: } \vec{OX} = \vvv{2}{1}{-2} + k\cdot\vvv{0}{0}{4}+ \ell\cdot\vvv{4}{-3}{0}\)
Aufgabe
In dem folgenden Geogebra-Applet können Sie sich zufällige Ebenen vorgeben lassen, zu denen Sie dann jeweils selber eine mögliche Parametergleichung ermitteln sollen. Sie können die von Ihnen ermittelte Parametergleichung in dem Applet eingeben und auf Richtigkeit überprüfen lassen.
Es werden jeweils nur 3 Punkte der Ebene angegeben, aber Sie können sich auch sofort eine mögliche Parameterform oder eine mögliche Normalenform angeben lassen und mit Ihren Ergebnissen vergleichen.