Identität (nach James Marcia)
Lernsituation „Meine eigene Identität“
In Abhängigkeit zu ihrer Identität wird ihr Zukunftsweg in beruflicher, religiöser oder aber auch sexueller Hinsicht im Vergleich mit Freunden, Mitschülern oder anderen Gleichaltrigen unterschiedlich verlaufen.
Laut James Marcia besitzen Menschen eine unterschiedliche (berufliche, religiöse, sexuelle) Identität. Finden Sie nun mithilfe der folgenden Annahmen heraus, welcher Form der beruflichen Identität sie sich selbst zuordnen können. Überlegen Sie sich, welche berufliche Karriere in Abhängigkeit zu ihrer Identität wahrscheinlich ist und wie sie voraussichtlich mit beruflichen Rückschlägen umgehen werden.
Aufgaben:
1. Überlegen Sie sich zu folgenden Fragen Antworten und fertigen Sie sich Notizen an:
- Was werden sie nach der VIBOS beruflich machen?
- Wie gut sind sie über den zukünftigen Studiengang/ Berufszweig informiert?
- Welchen Einfluss hat die Meinung der Eltern bezüglich ihrer Studien-/Berufswahl?
2. Informieren Sie sich über das Identitätsmodell nach James Marcia. Erstellen Sie eine übersichtliche Tabelle mit folgenden Inhalten zu jeden Identitätsstatus:
- Commitment
- Explorationsverhalten
- Persönlichkeitsmerkmale
- konkretisiert anhand der beruflichen Identität
- Einsendeaufgabe: Entwerfen Sie zu den vier Stadien je eine konkrete berufliche Identität. (Beziehen Sie hierzu die Fragen aus Aufgabe 1 mit ein.) Verdeutlichen Sie anhand der Identitäten die relevanten Annahmen des Identitätsmodells nach James Marcia.
Informationstext
Begriff „Identität“
Identität ist ein weitumfassendes Begriff. So kann zunächst die Identität einer einzelnen Person (soziale, kulturelle, politischen, ethnische Identität) oder die Identität einer ganzen Personengruppe (Geschlechtsidentität, Klassenidentität…) gemeint sein.
Allen in allen ist Identität (nach Staub (2000, S. 283) zu verstehen: „(…) als jene Einheit oder Ganzheit, als die sich ein nämliches Subjekt unter wechselnden raum-zeitlichen Umständen versteht, empfindet und präsentiert.“
Identitätsmodell nach James E. Marcia
Bedeutung der Identitätskonstruktion im Jugendalter
Die Identität entwickelt sich ein Leben lang, aber gerade das Jugendalter spielt dabei einen entscheidenden Zeitabschnitt. Mit dem Beginn der Adoleszenz beginnt für den jungen Menschen ein Lebensabschnitt mit bedeutenden physischen, psychischen und sozialen Veränderungen. Die Ausbildung der Erwachsenenidentität stellt dabei die Hauptaufgabe dar.
Identitätsmodell
Das Identitätsmodell (Identity-Status-Modell) basiert auf den psychosozialen Entwicklungskonzept von Erik Erikson, welches von Marcia weiterentwickelt und weiter ausdifferenziert wurde. Zentrum seiner Identitätsforschung ist es den Identitätsstatus einer Person im Jugendalter festzustellen.
Dabei stehen der berufliche Werdegang, politische oder religiöse Weltanschauung bzw. Werte oder die Sexualität im Mittelpunkt der Identitätsbetrachtung.
Die Basis zur Ermittlung des Identitätsstatus bilden zwei Dimensionen, die mittels des „Identity Status Interview“ erfragt werden:
- Commitment (=hoher bzw. geringer Grad der Verpflichtung und Anerkennung vorherrschender Werte, z.B. die der Eltern)
- Exploration (= hoher bzw. geringer Grad an Neugierverhalten, u.a. durch ausprobieren, suchen, entdecken)
Diese beiden Dimensionen in Kombination bilden, je nach Intensität des Ausprägungsgrades, den Identitätsstatus des Jugendlichen. Marcia unterscheidet hierzu 4 Stadien der Identität:
| Explorations-
verhalten |
hoch gering |
kritische Identität
(=Moratorium) |
erarbeitete Identität |
| diffuse Identität | übernommene Identität | ||
|
gering hoch Commitment |
|||
| –> für die Person ein ungünstiger Identitätsstatus –> für die Person ein günstiger (reifer) Identitätsstatus | |||
Die übernommene Identität (Kindheitsbindung – heile Welt)
Personen mit diesem Identitätsstatus weisen eine hohen Grad an Anerkennung von vorherrschenden Werten auf. Diese werden unreflektiert übernommen und kaum hinterfragt. Weiterhin zeigt die Person nur ein geringes Neugierverhalten. Sie orientiert sich stark an den Erwartungen der sozialen Umwelt und möchte die bestehenden Werte bestmöglich erfüllen.
Im Gegensatz zu den männlichen Identitäten haben die weiblichen Identitäten ein hohes Selbstbewusstsein. Diese Personen gelten im Allgemeinen als bodenständig, wohlerzogen und zufrieden. Bei negativen Erfahrungen bzw. in Belastungssituationen sind sie leicht verletzbar und stressanfällig.
Exemplifikation: Personen mit dieser Identität werden sich in dem Lebensbereich stark an den Eltern orientieren. Diese stellen die uneingeschränkte Autorität dar.
Die diffuse Identität (keine Bindung)
In diesen Stadium befindet sich der Jugendliche in einer Rollendiffusion (nach Erikson). Sie ist gekennzeichnet durch starke Verwirrung. Er kann sich nicht auf bestimmte Werte festlegen, da es eine Verpflichtung gegenüber vorherrschenden Werten aus der Gesellschaft nicht gibt bzw. diese unter Umständen völlig fehlen. Ebenso zeigt diese Person kaum Eigeninitiative, um Neues zu entdecken. Der Jugendliche kann sich nicht finden. Er ist fremdgesteuert und sieht sich in eine vorgegebene Rolle gedrängt, die aber nicht seinem wahren Selbst entspricht. Daher wirken diese Personen hilflos, ziellos und resigniert. Sie leben zurückgezogen und zeigen ein nur geringes Selbstwertgefühl.
Exemplifikation: Der Jugendliche ist unzufrieden mit seinen Leben, wird aber keinerlei Anstrengungen vollziehen, um seine aktuelle Lage zu verändern. Er fühlt sich von seiner Familie nicht verstanden und wird sich zurückziehen. Bei Entscheidungen wird er sich an den Vorgaben durch andere (z.B. Freunde, Lehrer) orientieren.
Die erarbeitete Identität (Bindung)
Dieser Identitätstyp schreibt den vorherrschenden Werten eine hohe Bedeutung zu. Sie nutzen diese für die eigene Lebensgestaltung, übernehmen diese jedoch reflektiert und überlegt. Diese Personen sind das Gegenteil zur diffusen Person. Sie sind selbstsicher und wissen was sie wollen (und was nicht). Sie haben ein hohes Selbstwertgefühl. Ebenso weisen diese Jugendliche ein hohes Explorationsverhalten auf, d.h. sie können ggf. auf vielfältige Erfahrungen zurück greifen oder sind informiert zu einem bestimmten Bereich. Diese Identität wirkt ausgeglichen und zufrieden. Sie ist im Einklang mit sich Selbst.
Exemplifikation: Dieser Jugendliche wird z.B. die politische Einstellung seiner Eltern wertschätzen. Jedoch wird er bestimmte Werthaltungen hinterfragen und durch eigene ergänzen.
Die kritische Identität (Suchphase)
Dieser Status beschreibt eine Person die sich in Bezug auf ihrer Identität auf der Suche befindet. Der Jugendliche möchte seine Platz in der Gesellschaft finden und experimentiert in verschiedenen Bereichen. Dies zeigt auch das hohe Explorationsverhalten. Sie sind informiert, forschen und recherchieren, sind aber in ihrem Verhalten unstetig und sprunghaft. Eine Verpflichtung gegenüber den vorherrschenden Werten besteht nicht. Identitäten in diesen Status sind unsicher und zeigen am wenigsten Respekt vor Autoritäten.
Exemplifikation: Die Jugendlichen der Flower Power Generation waren auf der Suche nach eigenen neuen Werthaltungen. Ein Verpflichtung ggü. den vorherrschenden konservativen Werten und Rollen ihrer Eltern verspürten sie nicht. Diese Generation wendete sich sogar vom klassischen Rollenbild ab (Emanzipation) und sie experimentierten mit den unterschiedlichen Lebensformen (Kommunen, freie Liebe,…).
Exemplifikation
Natascha möchte sich in beruflicher Hinsicht ausprobieren. Sie hat bereits verschiedene Praktika absolviert und für ein Jahr Deutschland für ein „Work and Travel“ in Australien verlassen. Die Wünsche ihrer Eltern nach einer soliden Berufsausbildung mit festen Einkommen möchte sie nicht nachkommen. Sie möchte ihr eigenes Business aufbauen (=kritische Identität im Bereich Beruf). In Bezug auf ihren Glauben verfolgt Natascha strickt die erlernten Werthaltungen. Sie zweifelt diese nicht an und bindet die Rituale und Traditionen ihrer Religion in ihren alltäglichen Leben (= übernommene Identität im Bereich Religion).
Exemplifikation
Natascha beginnt aufgrund eines kritischen Lebensereignisses, z.B. den Verlust eines Freundes, ihre religiösen Werthaltungen zu hinterfragen und reflektiert diese kritisch (=kritische Identität im Bereich Religion). Sie beginnt sich mit anderen Religionen und deren Umgang mit der Thematik auseinanderzusetzen und bildet sich neue Werthaltungen in Bezug auf ihre Religion (= erarbeitet Identität in Bereich Religion).