Normalenvektoren von Ebenen
Überblick zu den Inhalten dieses Kapitels
(1) Erinnerung: Die Parameterform einer Ebenengleichung
(2) Vektoren ermitteln, die zu 2 gegebenen Vektoren gleichzeitig senkrecht sind
(3) Beispiel
(4) Ausblick
(5) Ermittlung mithilfe eines Computer-Algebra-Systems (CAS)
Erinnerung: Die Parameterform einer Ebenengleichung
Parameterform der Ebenengleichung
Sind von einer Ebene \(\require{AMSmath}\)\(E\) ein Punkt \(A\) und zwei Richtungsvektoren \(\vec{r_1}\) und \(\vec{r_2}\) bekannt, so kann man jeden Punkt \(X(x_1|x_2|x_3)\), der in der Ebene \(E\) liegt, durch seinen Ortsvektor \(\overrightarrow{OX}\) \(= {\small\begin{pmatrix}x_1 \\x_2 \\x_3\end{pmatrix}}\) beschreiben, und zwar auf folgende Art und Weise:
Man findet zu jedem Punkt \(X\) der Ebene \(E\) jeweils eindeutige Werte für die Parameter \(s\in {\mbox{I}\hspace{-3mu}\mbox{R}}\) und \(t\in{\mbox{I}\hspace{-3mu}\mbox{R}}\), so dass gilt:
\(\overrightarrow{OX}\) = \(\overrightarrow{OA} + s\cdot \vec{r_1} + t\cdot \vec{r_2}\).
Diese Gleichung ist eine Ebenengleichung in Parameterform.
Beispiel
Gegeben sind die Punkte \(A({-2}|0|4)\), \(B({-1}|3|5)\) und \(C(0|1|4)\), die alle in einer gemeinsamen Ebene \(E\) liegen.
Zeigen Sie, dass die Ebene \(E\) eindeutig durch die Punkte \(A\), \(B\) und \(C\) festegelegt ist, und ermitteln Sie eine Ebenengleichung der Ebene \(E\) in Parameterform.
Vektoren ermitteln, die zu 2 gegebenen Vektoren gleichzeitig senkrecht sind
Aufgabe:
In einem 3-dimensionalen Koordinatensystem ist eine Ebene \(\require{AMSmath} E: \overrightarrow{OX}=\overrightarrow{OA}+k\cdot \vec{p}+\ell\cdot \vec{q}\) gegeben, von der ein Punkt A und zwei Richtungsvektoren \(\vec{p}\) und \(\vec{q}\) bekannt sind.
Gesucht ist ein Vektor \(\vec{n}\), der senkrecht zur Ebene E verläuft – also ein Normalenvektor der Ebene E.
Beobachten Sie in dem folgenden Geogebra-Applet, wie sich die Orientierung des Normalenvektors \(\vec{n}\) verändert, wenn Sie die Punkte A, B und C verschieben. Auch die Länge des Normalenvektors \(\vec{n}\) können Sie verändern.
Lösung:
Damit der Vektor \(\vec{n}\) senkrecht zur Ebene E verlaufen kann, muss er senkrecht zu BEIDEN Richtungsvektoren von E sein, also zu \(\vec{p}\) und \(\vec{q}\).
Folglich gilt: \(\vec{p}\cdot\vec{n} = 0\) und \(\vec{q}\cdot\vec{n} = 0\).
\(\vec{n}\) ist Normalenvektor von E, d.h.:
\(\vec{p}\perp \vec{n} \quad\Rightarrow\quad \vec{p}\cdot\vec{n} = 0\)
\(\vec{q}\perp \vec{n} \quad\Rightarrow\quad \vec{q}\cdot\vec{n} = 0\)
Wir setzten die bekannten Koordinaten von \(\vec{p}\) und \(\vec{p}\) und die noch unbekannten Koordinaten von \(\vec{n}\) in die beiden Orthogonaliätsbedingungen \(\vec{p}\cdot\vec{n} = 0\) und \(\vec{q}\cdot\vec{n} = 0\) ein und erhalten 2 lineare Gleichungen.
Die beiden Gleichung bilden ein lineares Gleichungssystem mit den drei Unbekannten \(n_1\), \(n_2\) und \(n_3\).
\(\vec{p}=\!\begin{pmatrix}p_1 \\p_2 \\p_3\end{pmatrix}\); \(\vec{q}=\!\begin{pmatrix}q_1 \\q_2 \\q_3\end{pmatrix}\); \(\vec{n}=\!\begin{pmatrix}n_1 \\n_2 \\n_2\end{pmatrix}\)
\(\vec{p}\cdot\vec{n} = 0\) \(\quad\Rightarrow\quad p_1\cdot n_1 + p_2\cdot n_2 + p_3\cdot n_3 = 0\)
\(\vec{q}\cdot\vec{n} = 0\) \(\quad\Rightarrow\quad q_1\cdot n_1 + q_2\cdot n_2 + q_3\cdot n_3 = 0\)
Um etwas Schreibarbeit zu sparen, kann man das Gleichungssystem auch in Matrix-Form darstellen.
Gleichungssystem in Matrix-Form:
\(\left(\begin{array}{ccc|c}p_1 & p_2 & p_3 & 0\\ q_1 & q_2 & q_3 & 0\end{array}\right)\)
Wir gehen nun davon aus, dass \(p_1\neq 0\) ist. Dann darf man die Umformung \(p_1\cdot II – q_2\cdot I\) durchführen.
Unter der Annahme, dass \(p_1\cdot q_2\ – p_2\cdot q_1 \neq 0\) ist, erhält man somit die Lösung für \(n_2\) (die von \(n_3\) abhängt).
Setzt man die Lösung von \(n_2\) in die erste Gleichung ein, erhält man (mit etwas Rechenaufwand!) auch die Lösung für \(n_1\) (die ebenfalls von \(n_3\) abhängt).
Alle als Normalenvektor \(\vec{n}\) in Frage kommenden Lösungen sind offenbar ein Vielfaches eines einzigen konstanten Vektors \(\vec{n_0}\).
Durch geeignete Wahl von \(n_3\) kann man einen solchen konstanten Vektor \(\vec{n_0}\) bestimmen.
\(\left(\begin{array}{ccc|c}p_1 & p_2 & p_3 & 0\\ 0 & p_1\cdot q_2\ – p_2\cdot q_1 & p_1\cdot q_3\ – p_3\cdot q_1 & 0\end{array}\right)\)
\(n_2=-n_3\cdot\dfrac{p_1\cdot q_3\ – p_3\cdot q_1}{p_1\cdot q_2\ – p_2\cdot q_1}\)
Einsetzen von \(n_2\) in erste Gleichung, Auflösen nach \(n_1\):
\(\Rightarrow \quad n_1=n_3\cdot\dfrac{p_2\cdot q_3\ – p_3\cdot q_2}{p_1\cdot q_2\ – p_2\cdot q_1}\)
\(\vec{n}=n_3\cdot\begin{pmatrix}\frac{p_2\cdot q_3\ – p_3\cdot q_2}{p_1\cdot q_2\ – p_2\cdot q_1} \\-\frac{p_1\cdot q_3\ – p_3\cdot q_1}{p_1\cdot q_2\ – p_2\cdot q_1} \\1\end{pmatrix}\)
Wähle \(n_3=p_1\cdot q_2\ – p_2\cdot q_1\):
\(\Rightarrow \quad\vec{n_0}=\begin{pmatrix} p_2\cdot q_3\ – p_3\cdot q_2 \\ – (p_1\cdot q_3\ – p_3\cdot q_1) \\p_1\cdot q_2\ – p_2\cdot q_1 \end{pmatrix}\)
Beispiel
\(\vec{p} =\!\begin{pmatrix} 2 \\ 3\\ {-2} \end{pmatrix}\! ;\ \vec{q} =\!\begin{pmatrix} 3 \\ {-1}\\ 4 \end{pmatrix}\) \(\quad\Rightarrow\quad \vec{n_0} = \left(\begin{array}{l} 3\cdot 4\ -(-2)\cdot (-1) \\ -( 2\cdot 4 \ – (-2)\cdot 3)\\ 2\cdot (-1)\ – 3\cdot 3 \end{array}\right)\) \(= \left(\begin{array}{c} 10 \\ -14 \\ -11 \end{array}\right)\)
Kontrolle: \(\vec{n_0}\) muss senkrecht zu \(\vec{p}\) und \(\vec{q}\) sein!
\(\vec{n_0} \cdot\vec{p} = \begin{pmatrix} 10 \\ -14 \\ -11 \end{pmatrix} \cdot \begin{pmatrix} 2 \\ 3\\ {-2} \end{pmatrix}\) \(= 10\cdot 2\ -14\cdot 3\ -11\cdot(-2) = 0\) \(\quad\Rightarrow\quad\vec{n_0} \perp\vec{p}\)
\(\vec{n_0} \cdot\vec{q} = \begin{pmatrix} 10 \\ -14 \\ -11 \end{pmatrix} \cdot \begin{pmatrix} 3 \\ {-1}\\ 4 \end{pmatrix}\) \(= 10\cdot 3\ -14\cdot (-1)\ -11\cdot 4 = 0\) \(\quad\Rightarrow\quad\vec{n_0} \perp\vec{q}\)
Ausblick
Im nächsten Kapitel wird dieser zu 2 Vektoren gleichzeitig senkrechte Vektor genauer untersucht. Außerdem wird dort eine elegante Schreibweise für einen solchen Vektor vorgestellt. Es wird sich zeigen, dass dieser Vektor ein paar weitere, sehr verblüffende und äußerst nützliche Eigenschaften besitzt.
Ermittlung der Lösung des Gleichungssystems mithilfe eines Computer-Algebra-Systems (CAS)
Ein CAS-System kann aufwändige algebraische Aufgaben durchführen, wie z.B. das Lösen von Gleichungen oder auch von ganzen Gleichungssystemen.
Zeilen 1 bis 3: Hier werden zunächst die Vektoren \(\vec{p}\), \(\vec{q}\) und \(\vec{n}\) definiert.
Zeile 4: Hier wird die Lösung des Gleichungssystems, das aus den Gleichungen \(\vec{p}\cdot\vec{n}=0\) und \(\vec{q}\cdot\vec{n}=0\) besteht und das die Koordinaten von \(\vec{n}\) als Variablen besitzt, in Form einer Menge, die einen Vektor enthält, in der Variablen lsg gespeichert.
Zeile 5: Der Term, der für \(n_3\) eingesetzt werden soll, wird hier aus den Koordinaten von \(\vec{p}\) und \(\vec{q}\) zusammen gesetzt und in der Variablen s gespeichert.
Zeile 6: In der Lösung des Gleichungssystems wird nun der Wert von \(n_3\) durch den Wert von s (aus Zeile 5) ersetzt; die neue Darstellung wird in der Variablen neu gespeichert.
Zeile 7: Da die Variable neu eine MENGE darstellt, greifen wir auf das erste Element dieser Menge zu, bei dem es sich um einen Vektor handelt. Diesen speichern wir in der Variablen n0.
Aufgabe:
a) Verändern Sie in Zeile 1 und Zeile 2 die Definition von p und q durch
p :=
q :=
und beobachten Sie, wie sich in Zeile 7 die Werte von n0 verändern.
b) Geben Sie in Zeile 8 das Kommando v := Skalarprodukt( p, n0 ) oder v := Skalarprodukt( q, n0 ) und in Zeile 9 Vereinfache( v ) ein. Warum kommt hier als Ergebnis der Wert 0 heraus?