Selbstfinanzierung
Wiederholung
| Rechtliche Stellung der Kapitalgeber | |||
| Eigenfinanzierung | Fremdfinanzierung | ||
| Herkunft des Kapitals | Innenfinanzierung | Selbstfinanzierung aus Gewinnen, Finanzierung aus Vermögensumschichtung | Finanzierung aus Rückstellungen, Finanzierung aus Vermögensumschichtung |
| Außenfinanzierung | Beteiligungsfinanzierung | Kreditfinanzierung | |
Selbstfinanzierung ist eine Form der Eigen- und Innenfinanzierung. Das heißt, die Finanzierung erfolgt durch die eigene Ertragskraft des Unternehmens und sie erhöht das Eigenkapital.
Offene Selbstfinanzierung
Die offene Selbstfinanzierung haben wir bereits im Kapitel Verwendung des Jahresüberschusses kennen gelernt. Sie ist bei der Aktiengesellschaft zum Teil durch die Rücklagenbildung gesetzlich erzwungen. Die Aktiengesellschaft ist gezwungen, die gesetzliche Rücklage von 10% des Grundkapitals so lange mit jährlich 5% des Jahresüberschusses abzüglich eines Verlustvortrages aufzufüllen, bis die vorgeschriebene Höhe erreicht ist.
Beispiel
Zum 31.12.01 liegt für die BOS AG folgende vereinfachte Bilanz nach vollständiger Gewinnverwendung in T€ vor:

Vor Gewinnverwendung zum 31.12.02 liegen folgende Zahlen in T€ vor:

Es soll eine Dividende von 10% ausgeschüttet werden. Aus dem Jahresüberschuss heraus wird die Position Andere Gewinnrücklagen eingeführt und mit 80 T€ gefüllt. Die Bildung der gesetzlichen Rücklage erfolgt nach den aktienrechtlichen Vorschriften.
Nach teilweiser Gewinnverwendung ist der Betrag der offenen Selbstfinanzierung in der Bilanz zu erkennen.

Die gesetzliche Rücklage ist um 6 T€ auf 8 T€ angestiegen und es wurde die Position andere Gewinnrücklagen mit 80 T€ eingeführt. Die Höhe der offenen Selbstfinanzierung beträgt 86 T€. Der Bilanzgewinn steht zwar unter der Position Eigenkapital, zählt aber nicht (in voller Höhe) dazu, weil er als Dividende ausgeschüttet wird.
Nach vollständiger Gewinnverwendung ist die gesamte Höhe der offenen Selbstfinanzierung zu erkennen.

Sie beträgt 90 T€ und setzt sich aus der Erhöhung der gesetzlichen Rücklage (6 T€), der Erhöhung der anderen Gewinnrücklagen (80 T€) und der Erhöhung des Gewinnvortrages (4 T€) zusammen.
| offene Selbstfinanzierung | Δ GRL + Δ GV | oder | JÜ – Dividende | |
| 86 T€ + 4 T€ | 120 T€ – 30 T€ |
Im Beispiel ist auch eine Definanzierung zu erkennen. Es handelt sich um die Dividendenzahlung in Höhe von 30.000,00 €.
Stille Selbstfinanzierung
Die stille Selbstfinanzierung wird durch die Bildung stiller Rücklagen hervor gerufen und ist nicht unmittelbar aus der Bilanz ersichtlich. Stille Reserven entstehen bekanntermaßen entweder durch die Unterbewertung von Aktivpositionen oder durch die Überbewertung von Passivpositionen.
| Unterbewertung von Aktiva | Überbewertung von Passiva | ||
| · | erhöhte steuerliche Abschreibung | · | überhöhte Schätzung des Bedarfes an Rückstellungen |
| · | Überschätzung des Forderungsausfalls | · | Überbewertung von Währungsverbindlichkeiten |
| · | Ansatz der Wertuntergrenze bei der Bilanzierung selbst erstellter Aktivpositionen | ||
| · | Wertsteigerung von Aktivposten über die Anschaffungskosten hinaus | ||
Weil der Jahresüberschuss durch die Bildung stiller Rücklagen geringer ausfällt, entsteht ein Finanzierungseffekt durch niedrigere Steuer- und Dividendenzahlungen. Es fließen weniger Mittel ab. Der eingesparte Betrag, der zur Finanzierung anderer Vorhaben verwendet werden kann, wird jedoch in späteren Jahren fällig, weil sich die stillen Rücklagen im Zeitablauf wieder auflösen. Der Finanzierungsprozess stiller Rücklagen beruht also auf der zeitlichen Verschiebung (Stundung) der Steuer- und Dividendenzahlungen.
Stille Selbstfinanzierung im Zusammenhang mit Abschreibungen
Stille Rücklagen – und damit der Effekt der stillen Selbstfinanzierung – entstehen durch unterschiedliche Abschreibungsbeträge in der Finanzbuchhaltung und der Kostenrechnung.
Bilanziell wird die lineare Abschreibungsmethode gewählt. Kalkulatorisch kann man in der Kostenrechnung davon abweichen und Wertminderungsbeträge in unterschiedlicher Höhe ansetzen. Wenn die kalkulatorischen Beträge geringer sind als die bilanziellen, dann entsteht eine stille Reserve. Dadurch, dass kalkulatorisch meistens jedoch linear abgeschrieben wird, um eine gleichmäßige Kalkulationsgrundlage herzustellen, ist der Effekt der stillen Selbstfinanzierung aufgrund unterschiedlicher Abschreibungsbeträge seit Geltung der neuen Gesetzgebung vom 01.01.2008 eher gering einzuschätzen.
Allerdings kann eine stille Reserve durch unterschiedliche Annahmen über die Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes hervor gerufen werden. Wird bilanziell auf eine kürzere steuerlich zulässige Nutzungsdauer abgeschrieben, während kalkulatorisch eine längere wirtschaftliche Nutzungsdauer angesetzt wird, so sind die Aufwendungen für Abschreibungen bilanziell höher als die in die Preise einkalkulierten und über den Umsatzprozess erwirtschafteten Abschreibungen. Diese Vorgehensweise führt zu einer Verminderung des Gewinns und damit zu niedrigeren Steuer- und Dividendenzahlungen. Die Aktivpositionen werden in der Bilanz mit einem niedrigeren Wert ausgewiesen als es den tatsächlichen Verhältnissen entspricht. Stille Rücklagen werden gebildet und es entsteht der Effekt der stillen Selbstfinanzierung.
Die höheren bilanziellen Abschreibungen treten jedoch nur in den ersten Jahren der Nutzungsdauer auf. Später übersteigen die kalkulatorischen Abschreibungen die bilanziellen Abschreibungen. Die stillen Rücklagen werden aufgelöst, da über den Umsatzprozess mehr erwirtschaftet wird als Aufwendungen (Abschreibungen) geltend gemacht werden können. Die Mittel fließen über den höheren Gewinnausweis als Steuer- und Dividendenzahlungen ab. Die Abschreibungen bewirken nur eine Verschiebung des Mittelabflusses in eine spätere Periode.
Beispiel: Wird ein Wirtschaftsgut mit Anschaffungskosten von 12.000,00 € im Januar des Jahres 01 und einer steuerlich anerkannten Nutzungsdauer von vier Jahren gekauft, so ergibt sich bei Annahme einer wirtschaftlichen Nutzungsdauer von sechs Jahren folgendes Bild:
utzungsdauer von sechs Jahren folgendes Bild:
| Abschreibungen | Stille | ||||
| bilanziell | kalkulatorisch | Selbstfinanzierung | Rücklage (kumuliert) | ||
| AHK 01 | 12.000,00 | 12.000,00 | |||
| – | AfA 01 | 3.000,00 | 2.000,00 | + 1.000,00 | |
| = | RBW 01 | 9.000,00 | 10.000,00 | 1.000,00 | |
| – | AfA 02 | 3.000,00 | 2.000,00 | + 1.000,00 | |
| = | RBW 02 | 6.000,00 | 8.000,00 | 2.000,00 | |
| – | AfA 03 | 3.000,00 | 2.000,00 | + 1.000,00 | |
| = | RBW 03 | 3.000,00 | 6.000,00 | 3.000,00 | |
| – | AfA 04 | 3.000,00 | 2.000,00 | + 1.000,00 | |
| = | RBW 04 | 0,00 | 4.000,00 | 4.000,00 | |
| – | AfA 05 | 2.000,00 | – 2.000,00 | ||
| = | RBW 05 | 2.000,00 | 2.000,00 | ||
| – | AfA 06 | 2.000,00 | – 2.000,00 | ||
| = | RBW 06 | 0,00 | 0,00 | ||
Die Höhe der stillen Selbstfinanzierung gilt für den Fall, dass tatsächlich die gesamte stille Rücklage nicht in Form von Dividendenzahlungen aus dem Unternehmen abfließt.
Beurteilung der Selbstfinanzierung
Die Selbstfinanzierung ist ähnlich wie die Beteiligungsfinanzierung zu beurteilen, da es sich um Eigenfinanzierung handelt. Durch die Neubildung von Eigenkapital durch Selbstfinanzierung ändern sich die Stimmrechtsverhältnisse nicht. So ist die freie Entscheidung über die Mittelverwendung gewährleistet. Es entstehen keine Zins-, Tilgungs- und Dividendenverpflichtungen. Stille Selbstfinanzierung kann den Aktienkurs der Unternehmung erhöhen, weil der Wert des Betriebes steigt. Da Rücklagen als langfristig anzusehen sind verbessert sich die Eigenkapitalbasis und damit die Kreditwürdigkeit des Unternehmens. Ein Nachteil der Selbstfinanzierung könnte sich ergeben, wenn die Aktionäre eine höhere Dividendenausschüttung erwarten und auf der Hauptversammlung der Entlastung des Vorstandes aus diesem Grunde nicht zustimmen.
Selbstfinanzierung: Aufgaben
Testen Sie Ihr Wissen an folgenden Beispielen:
Aufgaben:
1 Die BOS AG weist zum 31.12. folgende Werte in Tsd. € aus:
| Aktiva | 31.12.01 | 31.12.02 | Passiva | 31.12.01 | 31.12.02 | |
| Anlagevermögen | 4.500 | 4.600 | gez. Kapital | 900 | 920 | |
| Vorräte | 320 | 300 | Kapitalrücklage | 800 | 820 | |
| Forderungen | 560 | 600 | Gewinnrücklagen | 2.700 | 2.800 | |
| Wertpapiere UV | 120 | 100 | Bilanzgewinn | 300 | 350 | |
| Liquide Mittel | 150 | 490 | Fremdkapital | 950 | 1.200 | |
| 5.650 | 6.090 | 5.650 | 6.090 |
Der Bilanzgewinn des Jahres 01 wurde in voller Höhe ausgeschüttet. Der Gewinnvortrag ins Jahr 03 beträgt 10 T€. Die bilanziellen Abschreibungen des Jahres 02 betragen 1.400 T€ und die kalkulatorischen 1.200 T€.
1.1 Ermitteln Sie den Betrag der Eigenfinanzierung, die zugleich Außenfinanzierung ist.
1.2 Ermitteln Sie den Betrag der Eigenfinanzierung, die zugleich Innenfinanzierung ist. (Basis: vollständige Gewinnverwendung)
1.3 Ordnen Sie der Erhöhung des Fremdkapitals passende Finanzierungsbegriffe zu.
2 Die Passivseiten der Schlussbilanzen der BOS AG weisen für 09 und 10 nach teilweiser Gewinnverwendung folgende Werte (in Tsd. €) aus:
| 31.12.09 | 31.12.10 | ||
| gezeichnetes Kapital | 70.000 | 75.000 | |
| Kapitalrücklage | 2.000 | 4.500 | |
| gesetzliche Rücklage | 2.800 | 3.000 | |
| andere Gewinnrücklagen | 14.000 | 16.800 | |
| Bilanzgewinn | 9.000 | 8.400 |
Die Kapitalerhöhung fand im August 10 statt. Für das Jahr 09 wurden 12% Dividende ausgeschüttet. Im Jahr 10 sinkt die Dividende auf 10%.
2.1 Ermitteln Sie den Betrag der Eigenfinanzierung, die zugleich Außenfinanzierung ist.
2.2 Ermitteln Sie den Betrag der Eigenfinanzierung, die zugleich Innenfinanzierung ist. (Basis: vollständige Gewinnverwendung)
2.3 Ermitteln Sie den Jahresüberschuss zum 31.12.10.